Preußen? Spitz?


Preußen Spitz Königsberg

Tja, warum heißt diese Seite denn eigentlich "Preußenspitz“? Ich habe den Namen ausgewählt, da meine Familie aus Ostpreußen und Schlesien kommt und bis zur Vertreibung dort gelebt hat und ich für mich dazu beitragen möchte, daß Preußen - trotz seiner Auflösung und einem Quasi-Erinnerungsverbot - nicht vergessen wird, da es so viel mehr war als Obrigkeitshörigkeit und Militarismus.

 

Die Vergangenheit bestimmt die Gegenwart und folglich die Zukunft. Die Welt, in der wir jetzt hier in Deutschland leben, entspringt zum Teil dem großen preußischen Einfluß, welcher über Jahrhunderte die Geschicke unserer Heimat mitzubestimmen vermochte.

 

Sehen wir uns daher kurz in der Geschichte Preußens um und hauchen der Welt von gestern wieder etwas Leben ein, welches uns auch die Gegenwart etwas verzaubern kann. Ist es nicht spannend zu wissen, nach wem eigentlich die ganzen Straßen, Plätze und Haltestellen benannt sind? Wer Freiherr vom Stein, Pestalozzi, Blücher, Savigny, Tauentzien, Gneisenau und Mommsen waren und was genau sie mit der Gestaltung der Geschichte zu tun haben? Kennen Sie die Ereignisse in Tauroggen, die spannender als jeder Krimi waren und wie durch den Mut einer Handvoll Männer ganz Europa vom Einfluß Napoleons befreit wurde? Wissen Sie um Preußens massiven Einfluß auf die Wissenschaft und die Lehre?


Kurzer Abriß der Geschichte Preußens


Entstanden ist Preußen aus der Mark Brandenburg. Seit 1415 regierte hier die Familie der Hohenzollern bis 1918. Die Mark Brandenburg war ursprünglich nur etwa so groß wie das heutige Bundesland Brandenburg.

 

Der Name Preußen kommt übrigens vom ostpreußischen Teil des Landes, der den heidnischen Prußen vom Deutschen Orden im Mittelalter abgerungen wurde. Der Deutsche Orden herrschte bis 1466, dann musste er weite Teile unter polnische Herrschaft stellen. 

 

Nach dem Tode seines Sohnes und Nachfolgers gelangte es an den kurfürstlich-brandenburgischen Teil der Hohenzollern. Friedrich Wilhelm "der Große Kurfürst" schaffte es im schwedisch-polnischen Krieg, die Unabhängigkeit des Herzogtums herzustellen. Sein Nachfolger Friedrich I ließ sich in Königsberg 1701 zum König in Preußen krönen, da dieses Gebiet nicht zum heiligen römischen Reich deutscher Nation gehörte. So wurde der Name Preußen auch auf die anderen, von den brandenburgischen Hohenzollern regierten Landesteile übertragen.

 

Dieses Preußen war ein unzusammenhängendes Gebiet, das von der Memel bis zum Rhein reichte. Da es viele verschiedene Mentalitäten umfasste, entstanden unter den Königen Friedrich Wilhelm I, dem Soldatenkönig, und Friedrich II, dem Großen, der sogenannte "preußische Geist" und die "preußischen Tugenden". Diese sind: Toleranz, Pflichtgefühl, Sparsamkeit, Eigenständigkeit, Einfallsreichtum und Ehrlichkeit. In Preußen sollte jeder dem Staat dienen, vom König bis zum einfachsten Mann. Friedrich der Große nahm sich davon nicht aus, so sagte er doch bereits als Kronprinz: „Der Herrscher ist alles andere als der absolute Herr der Völker, die seiner Herrschaft unterworfen sind; er ist lediglich ihr erster Diener.“ 

 

Preußen war durchaus ein sehr moderner, liberaler Staat. So nahm es Asylanten aus allen Ländern auf, wie beispielsweise die Hugenotten aus Frankreich. Ebenso wurde hier schon früh die Religionsfreiheit eingeführt, alle Religionen durften ihren Glauben frei praktizieren. Auch verbot Preußen 1714 als erster Staat die grausame Hexenverfolgung.

 

Nach mehreren Anläufen gelang schließlich dem preußischen Ministerpräsidenten Bismarck ab 1871 die Vereinigung der Deutschen Staaten zum Deutschen Reich unter der Führung Preußens. Der preußische König wurde gleichzeitig deutscher Kaiser, seine Hauptstadt Berlin wurde die Hauptstadt Deutschlands. Der Preußische Staat umfasste daher ab 1871 nunmehr den Norddeutschen Raum von Tilsit im Nordosten bis Aachen im Westen und die Mainlinie im Süden.

 

Nach dem 1. Weltkrieg wurde der letzte deutsche Kaiser Wilhelm II. ins Exil nach Holland vertrieben. Deutschland wurde eine Republik. Preußen bestand als größtes Bundesland in der neuen Republik weiter, es wurde ein sozialdemokratisch regiertes Land. Die Besatzungsmächte lösten dann 1947 den preußischen Staat auf, da er "seit jeher Träger des Militarismus und der Fortschrittsfeindlichkeit" gewesen sei.


Preußen - Wirklich so kacke?


Preußen Staaten

Die bekannte These, daß Preußen den Nationalsozialismus erst ermöglicht hat beruht im Kern auf willkürlichen Behauptungen und Spekulationen, jedoch nicht auf Analysen oder gar Beweisen. Auch die Behauptung, in Preußen hätten die Könige quasi absolutistisch geherrscht, entbehrt jeder Grundlage. So wurden dem amerikanischen Präsidenten mehr Entscheidungsbefugnisse zugestanden, als sie dem Deutschen Kaiser verfassungsrechtlich jemals eingeräumt wurden. Im Gegenteil: das preußische Ethos des Dienens, der Verpflichtung des Einzelnen gegenüber dem allgemeinen Wohl, der Forderung nach Bevorzugung des Gemeinwohls gegenüber den subjektiven Bedürfnissen seiner Bewohner galt auch und gerade für den Deutschen Kaiser, den "ersten Diener seines Staates". Dies zeigt sich auch in der Bezeichnung "König in Preußen" (statt "von Preußen"): hier stand nicht die Herrschaft von oben nach unten im Vordergrund, sondern die Führung, die geprägt war von Pflichterfüllung und Verantwortung - dem Staate und seinen Bewohnern gegenüber.

 

Preußen war sich selbst gegenüber zu strenger Rechtsstaatlichkeit verpflichtet, daher hat es dort eine rassische oder andersartig motivierte Verfolgung von Menschengruppen niemals gegeben.

 

Der sogenannte preußische Militarismus entsprang dem Grauen des 30jährigen Krieges (1618-1648): Friedrich Wilhelm, der "Soldatenkönig" wollte seinen Staat nicht mehr als Spielball fremder Mächte sehen (das Schicksal seines Vaters im 30jährigen Krieg), dies bedeutete für ihn keine Schulden bei anderen Regierungen zu haben und unangreifbar zu sein. Unangreifbar in dem Sinne, als daß er wusste, was Abschreckung für die Friedenserhaltung bedeutete. Daher sollte eine gut ausgebildete und kampfstarke Armee die politische Unabhängigkeit Preußens gewährleisten und dem Staate somit auch seine Handlungsfreiheit zurückgeben. Dies war seine Absicht, nicht die Herrschaft der Welt an sich zu reißen. Da Preußen klein war und entsprechend niemals mengenmäßig an die militärische Stärke anderer Mächte heranreichen konnte, musste die preußische Armee durch Qualität die Quantität der Soldaten der anderen Länder ausgleichen. Hier liegt der Grund für den bis dahin in Europa unbekannten Drill, dem der einzelne preußische Soldat unterworfen wurde. Dem Adel wurden die Standesprivilegien entzogen und seine Mitglieder als Offiziere der Armee in den höchsten sozialen Stand erhoben - dies schuf Loyalitäten unter den Soldaten, die bis dahin unbekannt waren.

 

Die Dominanz des Adels in Armee und Verwaltung war jedoch nicht der Grund für das sowohl bewunderte als auch verrufene preußische Ordnungssystem. Dieses hat sich erst aus dem Pietismus entwickelt, welchem der Soldatenkönig zuneigte. Pietismus fordert Askese im Essen, im Trinken von Alkohol sowie in der Bekleidung, eine geregelte Lebensführung, Arbeitsdisziplin und soziale Verantwortung für den "anderen". Denken und Handeln waren also auf das Gemeinwohl ausgerichtet.

 

Laut Adam Smith bedingen die Freiheit im Staat und in der Gesellschaft sowie die Freiheit in der Wirtschaft einander. Wäre Preußen ein dem Klischee entsprechender militaristischer und autoritärer Obrigkeitsstaat gewesen, dann hätte sich die deutsche Wirtschaft als Privatwirtschaft ab 1871 nicht in so kurzer Zeit zur Spitze der Welt hin entwickeln können. Das preußisch geführte Deutschland beherrschte zum Beispiel in Chemie und Pharmazie den Weltmarkt mit 87% - sozusagen die Apotheke der Welt. Auch hatte es die Führungsrolle inne auf allen Anwendungsgebieten der Elektrizität, ebenso wie in der optischen Industrie.

 

Hinsichtlich der Bildung seiner Einwohner war Preußen stets Vorbild und Vorreiter. So wurde die 1694 in Halle gegründete Universität die führende Hochschule, zu der sich die geistige Elite Deutschlands und Europas drängte. Pfarrer Hermann Francke, der in Halle lehrte, gründete die Hallenschen Anstalten mit Waisenhaus und Armenschule. Diese wurden das Fundament der berühmten Franckeschen Stiftungen. Damals wurden Jungen und Mädchen zum ersten Mal systematisch in einer gemeinschaftlichen Schule - aber in getrennten Klassen - unterrichtet und erzogen. Wo sonst wurden Mädchen im 18. Jahrhundert schulisch und beruflich gefördert? Richtig, nur in Preußen. Nach und nach wurden auch die Kinder besser gestellter Eltern auf diese Schule geschickt, wobei sich das Schulgeld nach der Höhe des finanziellen Vermögens der Eltern richtete.

 

Auf Anweisung Friedrichs des Großen wurde 1763 das "General-Schul-Reglement" erlassen, das weit bis ins 19. Jahrhundert hinein die inhaltliche und gesetzliche Grundlage des preußischen Volksschulwesens darstellte. Die Forderung an die Lehrerschaft liest sich wie folgt: "[..] daß ein Lehrer ein väterlich gesinntes, mit Ernst und Liebe temperiertes Herz gegenüber der ihm anvertrauten Kinder haben müßte. Die Disziplin müsse mit Weisheit aufrecht erhalten werden [..]."

 

In Preußen waren Begabung und Fleiß die ausschlaggebenden Kriterien für den gesellschaftlichen Aufstieg, nicht Reichtum oder blaues Blut. Hier wuchs also keine Standeselite heran, sondern eine Leistungselite. Diese Leistungselite aus allen Schichten sorgte dafür, daß bis 1918

  • deutsche Wissenschaftler 40% aller Nobelpreise erhielten
  • 80% der wissenschaftlichen Literatur in deutscher Sprache (nicht in englischer) erschienen
  • die internationale Sprache der Wissenschaft Deutsch war*
  • so gut wie keine Analphabeten mehr in Deutschland lebten
  • die deutschen Universitäten zum begehrten Ziel ausländischer Studenten wurden
  • die deutsche medizinische Wissenschaft an der Weltspitze stand

Große Leistungen, wenn auch wenig beachtet, erbrachte Preußen auch im Bereich der Tropenmedizin. In dem weltbekannten Robert-Koch-Institut, welches ursprünglich Kaiser-Wilhelm-Institut hieß, wurden tropische Krankheiten erforscht und erfolgreich bekämpft (die Max-Planck-Gesellschaft hieß übrigens ursprünglich auch mal Kaiser-Wilhelm-Gesellschaft).

 

Die blutrünstigen Sagen und Legenden um Preußen herum halten also sachlicher Betrachtung nicht stand. Weder war der letzte deutsche Kaiser ein blutsaufendes, kriegslüsternes Ungetüm, noch seine Armee ein Haufen herzloser Zombies. Im Gegenteil: Preußen kann uns heute in manchem ein Vorbild sein. Derzeit betont man zu sehr die Freiheit des Einzelnen und fördert damit egoistische Auswüchse. Darin können wir von Preußen nur lernen, das besonders auf Fleiß, Bescheidenheit, Verantwortung und Einsatz für andere Wert legte.

*da die grundlegenden Lehrbücher der Chemie in deutscher Sprache verfasst waren, wurde noch 1950 in den USA die Kenntnis der deutschen Sprache für die Zulassung zum Chemiestudium gefordert


Preußens Vermächtnis (Auswahl)


  • Aufhebung der Hexen- und Ketzerverfolgung (1714)
  • Einführung der allgemeinen Unterrichtspflicht (1717)
  • "Kartoffelbefehl" (1756)
  • Beendigung der Tyrannei Napoleons in Tauroggen (1812)
  • Einführung des allgemeinen, freien und geheimen Wahlrechts (1869)
  • Trennung von Staat und Kirche (ab 1871)
  • Einführung der zivilrechtlichen Ehe (1874)
  • Das Bürgerliche Gesetzbuch (BGB) (1900)
  • Einführung der Unfall-, Kranken- und Rentenversicherung (ab 1911)
Preußen Wappen
Preußisches Wappen
Kartoffelbefehl Friedrich der Große
Friedrich der Große inspiziert die Kartoffelernte
Preußen Spitz Kartoffeln
Noch heute liegen stets Kartoffeln auf der Grabplatte des alten Fritz'


Preußen in Zahlen


Steuerbelastung im Vergleich pro Kopf in Goldmark (1908)

  direkte Steuern indirekte Steuern
Gesamtbelastung
Deutschland 10,42 24,13 34,55
England 26,55 32,55 59,10
Frankreich 18,90 47,22 66,12

Anteil der Analphabeten um 1900

Deutschland 0,9%
England 9,6%
Frankreich 10%
USA 12%
Österreich 21%
Italien 47%

Bildungsniveau im Jahr 1911 und 2000

  Jahr 1911 Jahr 2000
Schüler 11.359.000 8.670.000
Lehrkräfte 234.923 545.284
Gesamteinwohnerzahl 65 Millionen 75 Millionen

Steuerbelastung im Vergleich pro Kopf in Goldmark (1913)*

  direkte Steuern indirekte Steuern Gesamtbelastung
Deutschland 30,89 23,73 54,62
England 59,27 30,65 89,92
Frankreich 27,15 44,95 72,10

Bücherproduktion 1910

  Stück pro 100.00 Einwohner
Deutschland 31.280 48
England 8470 18
Frankreich 12615 32

*54,62 Mark entsprechen inetwa 524 €. Die Steuerbelastung im Jahr 2000 beträgt pro Kopf 10.064 €, das sind gegenüber 1913 etwa das 19fache pro Einwohner*

StBA, 2001, S. 503



Stand: 22.04.2021

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