INHALTSVERZEICHNIS:
Schaut man sich die Geschichte der Spitze an, steht man vor der gleichen Situation wie bei vielen anderen Hunderassen: Ausgangspunkt war der Mischmasch der rasselosen Bauernschläge und Lokalschläge, aus denen dann im 19. Jahrhundert die heutigen Rassen entstanden sind. Daher ist es recht ernüchternd, nach einer jahrhundertealten Geschichte der Deutschen Spitze zu forschen, denn man findet jetzt nicht wirklich viel. Und das, was man findet, haben weitestgehend alle voneinander abgeschrieben.
Eins steht aber fest: der Spitz war allen Unkenrufen zum Trotz im Laufe der Jahrhunderte nicht tot zu kriegen und hat sich hartnäckig gegen alle übertriebenen züchterischen Spielereien zur Wehr gesetzt. Daher sieht der Spitz auf den antiken Reliefs immer noch genauso aus wie sein neuzeitlicher Kollege auf dem Urban-Denkmal in Stuttgart zu Füßen eines schwäbischen Weingärtners. Möge er uns noch lang erhalten bleiben!
Vor rund 100.000 Jahren vollzog sich vermutlich die Abgrenzung zwischen dem Wildtier Wolf und dem Haustier Hund. Der derzeit älteste als Hundeschädel angesprochene mitteleuropäische Fund stammt aus der Goylt-Höhle in Belgien aus der Zeit um 31.700 v. Chr. Hierbei handelt es sich vermutlich noch nicht um ein domestiziertes Tier sondern um ein Übergangsstadium, im Sinne einer Zähmung. Zusammenfassend weisen die archäologischen Funde darauf hin, dass der bereits in prähistorischer Zeit ein beliebtes Haustier gewesen sein musste. Der Hund ist übrigens das einzige Haustier, dessen Zähmung und Domestikation sich bereits in den Kulturen der spät- bzw. nacheiszeitlichen Jäger-Sammler-Gemeinschaften vollzogen hat.
Früher nahm man eine Art Selbstdomestikation des Wolfes an den Lagerplätzen der Menschen an, wobei sich diese Tiere von deren Jagdabfällen ernährt haben sollen. Wahrscheinlicher ist nach heutiger Lehrmeinung jedoch die gezielte Aufzucht von Jungtieren, die dann über den Vorgang der Prägung gezähmt wurden (möglicherweise wurden Wolfswelpen von Frauen an der Brust gesäugt) und nach und nach von der umgebenden Wildpopulation der Wölfe abgegrenzt wurden. Bereits eindeutig als Hund anzusprechende Knochenreste stammen aus einer gemeinsamen Bestattungsstelle von Hund und Mensch aus Bonn-Oberkassel aus dem Spätpaläolithikum (ca. 13.000-9.000 v. Chr.). Hier kann schon von einer fest etablierten Mensch-Hund-Beziehung und damit Domestikation ausgegangen werden.
Aus dem Frühholozän stammen besonders zahlreiche Hundeknochenfunde; die Hunde wurden vermutlich als Jagdgehilfen eingesetzt, teilweise ist auch die Fleischnutzung nachzuweisen. Die Tiere waren mittelgroß bis groß und hatten eine Schulterhöhe von 45 bis 60 cm.
Ab der Steinzeit nimmt die Formenvielfalt der Skelettfunde zu, die Höhe der Tiere variiert von 32 bis 60 cm und man kann hier bereits von einem bestimmten, funktionsgebundenen Einsatz der Hunde als Jagdhunde, Hüte- bzw. Treibhunde, sowie als Wach- und Hofhunde ausgehen. Besonders häufig wird hier ein mittelgroßer Hundetypus gefunden, der sogenannte Torfhund oder Torfspitz.
Deutliche Veränderungen und Skelettformenvielfalt im Sinne einer funktionsgebundenen ‚Hundezucht’ werden erst ab der römischen Kaiserzeit beobachtet. Neben mittelgroßen und großen Tieren sind jetzt auch Kleinsthunde nachweisbar, die Variationsbreite der Schulterhöhe reicht insgesamt von 18 bis 72 cm. Aus der römischen Kultur stammen auch die ersten Hinweise einer gezielten Rassehundezucht, ein Beispiel wäre der Molosser.
Skelettfunde aus germanischen Siedlungen zeigen hauptsächlich mittelgroße bis große Hunde (45 bis 67 cm) vom wolfsähnlichen Typ, etwa wie unsere heutigen Schäferhunde, Collies und Wolfspitze.
Im europäischen Hoch- und Spätmittelalter kann eine ähnliche Formenvielfalt wie in der römischen Kaiserzeit belegt werden. In Burgen und Städten hat man die Skelette eher kleinerer Hunde gefunden, während in ländlichen Siedlungen nach wie vor mittelgroße bis große Hunde dominieren. Hinweise auf erste Anfänge einer Rassehundezucht stammen aus städtischen Siedlungen und werden über die zunehmende Anzahl zeitgenössischer Abbildungen aus dem hohen und späten Mittelalter untermauert. Eine echte Rassehundezucht (nach bestimmten äußerlichen und charakterlichen Merkmalen) entstand allerdings erst in der Neuzeit.
Spitzfreunde schreiben der Rasse gern ein Alter von 5000 Jahren und mehr zu und berufen sich dabei auf die von Rütimeyer getätigten Knochenfunde bei den Pfahlbauten in der Schweiz und in Süddeutschland. Wirklich erforscht wurde der Torfhund jedoch erst unter Professor Theophil Studer in Bern. Er schrieb: "In den Pfahlbauten der neolithischen Zeit finden bis jetzt durch Größe und Gestalt verschiedene Hunderassen. Die am häufigsten vorkommende Form gehörte einem ziemlich kleinen Tiere von der Größe und Gestalt eines mittelgroßen Spitzes an." Damit wurde der Hund, den Rütimeyer Torfhund genannt hatte, zum Torfspitz und damit in den Augen der Forscher zum ersten und ältesten Rassehund Europas. Der Spitz bleibt auch heute noch für viele der direkte Nachkomme des kleinen Hundes der Pfahlbauer aus der Jungsteinzeit. Untermauert wurde diese Meinung durch Studers "Stammbaum der Hunderassen" von 1901, in welchem der Torfhund als die Stammform aller heutigen Terrier, Pinscher und Spitze ausgewiesen wurde.
An Studers Stammbaum wurde viel Kritik geübt, denn man kann Hunderassen nur bedingt anhand von Schädelfunden voneinander unterscheiden. Genauere Untersuchungen zeigten dies dann auch, da sich Skelett und Schädel des heutigen Spitz' durchaus vom Torfspitz unterscheiden. Auch die genetische Ähnlichkeit reicht nicht aus, um von einer klaren Abstimmung der Rassen auszugehen. Definitiv muss sich also der Spitzfreund von dem geliebten Bild verabschieden, welches den Wolfsspitz vor den zu bewachenden Pfahlbauten zeigt.
Das unterschiedliche Aussehen der in steinzeitlichen Kulturschichten von Rütimeyer gefundenen Hundeschädel verleitete zudem viele Forscher zu der Annahme, daß nicht alle Hunderassen vom Wolf abstammen. Konrad Lorenz ging zum Beispiel davon aus, daß lediglich Chow-Chows und die Spitzrassen vom Wolf abstammen, bei allen anderen Rassen sei seiner Meinung nach der Goldschakal der Stammvater. Dieser Ansatz war trotz seiner Popularität falsch, denn inzwischen konnten molekulargenetische Untersuchungen zeigen, daß der Wolf allein der Stammvater aller unserer Haushunde ist.
Dennoch sind Spitze ohne Zweifel eine uralte Form des Haushundes. Nicht als Rasse im engeren Sinne, aber als Typus. Sie entstanden überall dort, wo Hunde gehalten wurden - quasi als Primitivform - und hatten sicherlich eine geschichtsträchtigere Vergangenheit als die meisten anderen Hunderassen. Wirklich greifbar wird der Hund, den wir heute als Deutschen Spitz bezeichnen, dann aber erst im antiken Griechenland. Aus dieser Zeit sind mehrere sehr hübsche Darstellungen von Spitzen auf Gegenständen wie Münzen oder Krügen erhalten. Die abgebildeten Hunde würden auch heute noch problemlos als Spitz durchgehen, denn sie haben nicht nur Ringelrute und Stehohren, sondern auch noch ein längeres Fell und werden immer in "Begleithundsituationen" gezeigt.
Einer der wenigen Namen antiker Hunderassen, die wir wirklich deuten können (der Melitäer = Malteser) ist, wie Otto Keller in seinem Buch "Die antike Tierwelt" zeigte, ein Spitz, wenn auch nicht mit der gleichnamigen modernen Rasse identisch. Auf den Abbildungen ist dennoch zu erkennen, wie wenig sich der Spitz über die Jahrhunderte verändert hat. Die Ringelrute zum Beispiel muss ein sehr früh auftretendes Domestikationsmerkmal gewesen sein, denn die Malereien in altägyptischen Gräbern zeigen Hunde, die teils dem Pharaoh Hound, teils kleineren kurzhaarigen Spitzen, sehr stark ähneln.
Spitzartige Hunde treten also schon sehr früh überall dort auf, wo Hunde als Haushunde gehalten und gezüchtet wurden. Sie waren weit verbreitet und wurden für verschiedene Aufgaben eingesetzt: sie waren Hof- und Feldwächter, Hütehunde, Schlittenhunde und waren und sind auch heute noch Jagdhunde (Finnenspitz, Elchhunde, Laiki). Lediglich der Deutsche Spitz hat als einiger Spitztyp keinen Hang zur Jagd. Gerade die Urhundetypen sind allesamt dem Charakter unseres heutigen Spitzes ähnlich. Sie leben in einer gewissen Unabhängigkeit vom Menschen und sind gleichzeitig für alles und nichts nütze.
Die Mär von der nordischen Herkunft der Spitze geht auf Ludwig Beckmann zurück, der der Meinung war, die Spitze seien aus Skandinavien bis an die Ostseeküste und von dort aus mit Fuhrwerken nach Pommern gekommen. Der anders geartete Charakter der Deutschen Spitze im Gegensatz zu den nordischen Spitzen war ihm offensichtlich nicht bekannt. Die Laikaformen (Elchhunde, Finnenspitz und auch Samoyeden) waren und sind in ihrer Heimat Jagdhunde, während man ja dem europäischen Spitz das Fehlen jeglicher Jagdleidenschaft nachsagt. Richard Strebel hingegen sah die Entstehung des Spitzes in Mitteldeutschland, von wo er sich nach Norden und Süden ausgebreitet habe.
Die Problematik, auf die wir an dieser Stelle treffen, ist letztlich dieselbe, wie bei anderen Hunderassen auch: Ausgangspunkt des Deutschen Spitzes waren die rasselosen Mischlinge und Lokalschläge der damaligen Bauern, aus denen dann im 19. Jahrhundert die heutigen Rassehunde geformt wurden. Daher ist es im Prinzip müßig, nach einer Geschichte des Spitzes zu forschen, die Jahrhunderte oder gar Jahrtausende zurückliegt.
Nach den Darstellungen der Spitze im alten Griechenland beginnt das "dunkle Zeitalter". Über ein Jahrtausend lang ist nichts, aber auch gar nicht über den Spitz zu finden, er verschwindet jahrhundertelang von der Bildfläche, um erst in der Neuzeit wieder aufzutauchen. Im Mittelalter war der Spitz eine der am weitesten verbreiteten Hunderassen und in Mittel- und Nordeuropa quasi omnipräsent. Trotz seiner starken Verbreitung war der Spitz als Hund des einfachen Volkes nur wenig beachtet und wurde entsprechend selten dargestellt.
Man kann den Spitz durchaus als eine Art Urahn verschiedener Hunderassen betrachten, welche in der Folge an die jeweiligen klimatischen Verhältnisse ihrer Umgebung züchterisch angepasst wurden. In den kälteren Klimazonen - mit entsprechend geringerer Bevölkerungsdichte - benötigte man Hunde, wie den Samojeden, der wachte, der die Rentierherden treiben konnte, der die Schlitten zog und zudem als Jagdhelfer des Menschen fungierte. In Deutschland hingegen war die Jagd ein ausschließliches Vorrecht des Adels. Hielten sich Bauern oder einfache Bürger jagdtaugliche Hunde, so mussten diese jagduntauglich gemacht werden, beispielsweise durch das Abhacken eines Laufs oder durch einen dicken Knüppel, welchen sie um den Hals trugen. Aus diesem Grunde formte man damals in Deutschland den Deutschen Spitz, der keine Neigung zum Wildern hatte und aufgrund seiner Hoftreue seinen Wachposten niemals und unter keinen Umständen verließ.
Überall und stets kann der geneigte Leser von der berühmten Hausordnung des Grafen Eberhardt zu Sayn (1425 -1494) lesen, in welcher das Wort "Spitzhundt" erstmalig aufgetaucht sei. Der Graf verbot darin seinem Hausgesinde angeblich, sich gegenseitig als "Spitzhundt" zu beschimpfen. Diese vielzitierte - und vor allem vielkopierte - Annahme kann nun getrost in dieselbe Märchenecke verfrachtet werden, wie die Mär vom Torfspitz. Denn zur Zeit des Eberhardt zu Sayn war seine Residenz nicht viel mehr als eine mit Dornengestrüpp umhegte Holzhütte. Für eine bessere Bretterhütte braucht nun aber wirklich kein Mensch eine Hausordnung! Und überhaupt wurde die Sayn'sche Residenz erst im Jahre 1570 durch eine damals erlassene Hausordnung als eigenständiger Rechtsbezirk definiert. Konkret nachzulesen ist die detaillierte Widerlegung dieser Legende hier: "Seit wann heißt der Spitz eigentlich "Spitz"?"
Erstmals geht die um 1800 aufkommende, kynologische Fachliteratur auf die Spitze ein. So erwähnt Krünitz 1773 in seiner "Oekonomische Encyklopädie" zum ersten Mal überhaupt den Spitz. Der 1772 von Buffon als „Chien Loup“ beschriebene Hund (deutsche Übersetzung: "Wolfhund") wird im Jahr 1800 von Sydenham Edwards in der "Cynographia Britannica" - Bezug nehmend auf Buffon - bereits als "Pomeranian" oder "Fox Dog" bezeichnet. 1836 erwähnt Dr. Ludwig Reichenbach den Spitz in seinem Werk "Der Hund in seinen Haupt- und Nebenraçen", dieser reiht ihn eindeutig unter den Urhunden ein.
Auch Bechstein bezeichnete ihn bereits 1793 in „Getreue Abbildungen naturhistorischer Gegenstände" als Spitz. 1809 beschreibt August Goldfuß den Spitz in seiner „Vergleichende Naturbeschreibung der Säugethiere“ als wichtigsten Vertreter der Haushunde ("Canis familiaris") und führt bereits verschiedene Spitzrassen mit ihren unterschiedlichen Verwendungen auf.
Auch im "Lexikon der Hundefreunde" von 1934 wird - wie bei Krünitz - die Meinung vertreten, der Spitz habe seinen Namen aufgrund seiner spitzen Schnauze und der spitzen Ohren erhalten. Ob diese Deutung richtig ist? Wohl kaum. Denn diese Merkmale weisen ja auch andere Hunderassen auf. Fest steht jedenfalls, dass im Mittelalter die Bezeichnung der großen Hofhunde "Hovawarth" (Hofwächter) und die der kleinen Hofhunde "Mistbella" (die auf dem Mist bellen) war. Diese kleinen Wachhunde hießen damals aber anscheinend nicht "Spitz", allerdings könnte man in ihnen einen spitzähnlichen Hund sehen.
Dass der Deutsche Spitz zwischendurch überhaupt nicht erwähnt wurde, könnte dem Umstand geschuldet sein, dass er so verbreitet, bekannt und gewöhnlich war, dass man ihn einer Verewigung nicht für Wert hielt. Er blieb bis in das 20. Jahrhundert hinein in ganz Deutschland Hund des Volkes, also der Hund der Bauern, der Fuhrleute, der Händler und der Schiffer. Für sie alle waren die Spitze unentbehrlich als zuverlässige Begleiter, Alarmanlage und Spielgefährten für die Kinder, wie auch zum Rattenfangen, Kühetreiben und Gänsehüten. Ebenso wie der Spitz verschwanden diese Leute im Dunkel der Jahrhunderte, sie waren geschichtslos und trotzdem unentbehrlich.
Der älteste Name für den Deutschen Spitz war "Pommer". Dass das Wort Pommern immer wieder im Zusammenhang mit den Spitzen auftaucht, bedeutet jedoch nicht, dass alle Spitze ursprünglich aus Pommern stammen, sondern in Pommern stand nur die Zucht der schönen weißen Spitze in größter Blüte. Anklänge dazu finden sich auch im englischen "Pomeranian", im schwedischen "Pomerska Spetsen" und im französischen "Lou-Lou de Poméranie" und "Chien pomérien". Ähnliches findet sich auch bei den sogenannten "Mannheimern", den schwarzen Kleinspitzen. Als "Pommerscher Hütespitz" wird bis in die neueste Zeit hinein in der Literatur ein meistens weiß gefärbter Schäferhund aus Pommern erwähnt. Tatsache ist jedenfalls, dass um das Jahr 1700 diese weißen Hütespitze in Pommern wohl sehr häufig anzutreffen waren und man deshalb annahm, die weißen Spitze seien ursprünglich aus Pommern gekommen. Bemerkenswert ist, dass die Farbe Weiß in Pommern offenbar über alle Hundetypen hinweg eine bei der Zucht bevorzugte Farbe war.
Übrigens waren mitunter die Übergänge zwischen den Rassen fließend, denn man konnte bis zum Ende des 19. Jahrhunderts Schäferhunde und Spitze nicht wirklich voneinander abgrenzen. Daran erinnert eben auch die Bezeichnung "Hütespitz". Für den Tiermaler Friedrich Specht (1872) gehörte der Schäferhund in erster Linie zu den Spitzhunden.
Der Wolfsspitz (Keeshond) war gegen Ende des 18. Jahrhunderts die Symbolfigur der Patriotenpartei in Holland, während der Mops die gegnerischen Oranier repräsentierte. Damals war es modern, dem Wolfsspitz eine Löwenschur wie einem Pudel zu verpassen. Mit dieser eigenartigen Silhouette findet man ihn auf politischen Flugschriften, gravierten Gläsern usw. Ein Grund, warum gerade der Wolfsspitz den idealistischen Kämpfern gegen den Absolutismus als politisches Symbol diente, war die allgemein bekannte Wachsamkeit der Spitze. War doch Wachsamkeit bei Verstößen gegen die unnachsichtig geforderten republikanischen Tugenden eine absolute Notwendigkeit, deren Vernachlässigung der unbestechliche Robespierre nach der Französischen Revolution von 1789 mit dem Fallbeil ahnden ließ. Im Gegensatz zu den Franzosen machten die "Keezen" (die Patrioten) jedoch eine "Revolution in Samthandschuhen". Die holländische Verfassung, deren Urform im Wesentlichen von Cornelis "Kees" de Gijselaar formuliert wurde, verwirklichte letztlich nach und nach das Prinzip der Volkssouveränität.
Königin Victoria von England mit ihrer Pomeranianhündin "Gina"
Spätestens Mitte des 18. Jahrhunderts fand der Spitz seinen Weg nach England, vermutlich in Verbindung des englischen Königshauses mit Hannover. Unter George III. und seiner deutschen Gemahlin Charlotte stieg die Rasse dann zum Liebling der Adelshäuser auf. Dieser Tatsache verdanken wir die schönen und eleganten Darstellungen von Spitzen auf den Gemälden von Stubbs und Gainsborough.
Dennoch kommt der Spitz bei einigen englischen Gelehrten nicht gut weg und so verblüfft zum Beispiel Sydenham Edwards mit seinem abfälligen Urteil über den Spitz, indem er in der "Cynographia Britannica" schreibt:
"Er ist wenig wertvoll, weil lärmend, ränkevoll und zanksüchtig, feige, stur und verräterisch, schnappt gerne, ist gefährlich für Kinder und auch in anderer Hinsicht ohne Nutzen... Nützliche Eigenschaften gingen ihm also ab, ja nicht einmal anhänglich ist er"; es wäre jedoch "ziemlich schwierig ihn zu stehlen". Na wenigstens das gibt der Verleumder zu!
Vielleicht kann man die Tiraden gegen den Spitz mit einer Abneigung gegen ausländische Hunderassen erklären, die zudem für keine Spezialaufgaben wie für den Apport zu gebrauchen sind. Dennoch wundert dieses Urteil, da die Spitze in England wirklich beliebt waren und Königin Victoria während ihrer Zeit ja auch selbst Zwergspitze züchtete. Der weiße Zwergspitz soll in London um 1900 herum geradezu zum Modehund avanciert sein, doch dann verlor er wohl wegen seines unruhigen und lauten Wesens die Gunst seiner Liebhaber. Aber auch bei uns schwankte die Beliebtheit des Spitzes durch die Jahrhunderte erheblich.
Hunderassen sind der Mode unterworfen, dem konnte sich auch der Spitz nicht entziehen und so variierte auch seine Beliebtheit im Laufe der Zeit beträchtlich. Es gab Jahre, da waren sie fast sowas wie "en vogue", dann wieder gerieten sie in Vergessenheit, aber völlig verschwunden sind sie Gott sei Dank nie ganz. War der Spitz jedoch bis dato häufig anzutreffen, vielleicht war er sogar unter den Bauernhunden die häufigste Erscheinung, wurde er gegen Ende des letzten Jahrhunderts von anderen Rassen merklich verdrängt. Das lässt sich auch aus verschiedenen Berichten herauslesen: "Vor 30 bis 35 Jahren war der große Spitz, ob schwarz, weiß, gelblich oder Wolfsfarben vielfach beim Fuhrwerk ein treuer Wächter. Leider ist er nun in seiner Stammheimat fast in Vergessenheit geraten" heißt es 1921. "Früher war er wohl in den Bezirken Köln, Düsseldorf und Aachen der gewöhnlichste Hund, wobei drei Viertel der Spitze der wolfsgrauen Varietät angehörten. Es gab wohl ehemals kein Bauerngehöft oder Lastenfuhrwerk, welches nicht einen Spitz als Wächter aufzuweisen hatte, doch jetzt ist ein wirklich guter und reinrassiger Spitz schwer aufzutreiben...." schreibt Jean Bungartz bereits im Jahre 1884. Und schon 10 Jahre zuvor bedauerte Dr. Leopold Fitzinger, dass der Spitz, der noch vor vierzig Jahren zu den am häufigsten anzutreffenden Rassen Mitteleuropas zählte, inzwischen ziemlich selten geworden sei und möglicherweise seinem Verschwinden entgegen ginge.
Auch in dem 1876 erschienenen "Buch der Hundeliebhaber" wird die Seltenheit des Spitzes angesprochen: "Während wir früher diese überaus aufmerksamen, wachsamen Hunde in den Dörfern und Städten sehr häufig fanden und solche selten auf einem Postwagen fehlten, so sind sie heut zu Tage ziemlich selten geworden, obgleich es schwer ist, unter den kleinen Hunden einen besseren Wächter zu finden, der das Eigenthum seines Herren nicht verlässt."
Und obwohl man den Spitz von St. Petersburg bis nach Italien herab antreffen konnte und es nur wenige Rassen gab, die eine derartige Verbreitung fanden, gab es sehr lange nur sehr wenige Großzüchter für Spitze; in Deutschland, der Schweiz und Österreich zusammen lediglich ein Häuflein. Dabei wurde der Wolfsspitz vorwiegend in im württembergischen Schwarzwald und in Westfalen gezüchtet, der schwarze und der weiße Großspitz hauptsächlich im Rheinland und in Westfalen und der Kleinspitz - auch als Mannheimer Spitz bezeichnet - in Süddeutschland.
"Merkwürdig, diese älteste germanische Rasse, welche es sich aus den vorhistorischen Pfahlbauzeiten bis zur Gegenwart ohne jede forcierte Züchtung konstant vererbt hat, weicht der modernen Ausstellungskultur. Wie oft auf meinen Gängen durch Stadt und Land in Württemberg begegne ich diesen urtypischen Gestalten in seltener Formvollendung; hingegen auf Ausstellungen habe ich seit Jahren kein Prachtexemplar mehr gesehen; er scheint eben besser auf der Landstraße als im Salon zu gedeihen." Dies sprach der Richter Kull 1895 auf der Hundeausstellung in München und bringt es damit auf den Punkt: zu einer Zeit, als viele Jagdhunderassen schon ellenlange Stammbäume hatten und Hundevereine wie Pilze aus dem Boden schossen, da scheint es, "dass gerade für die Spitze das mangelhafteste Verständnis von allen Hunderassen obwaltet. Kein Wunder, wenn Hunde mit ersten und Ehrenpreisen prämiert wurden, die einem Spitze nur auf 100 Schritt gleichen..."
Gegen Ende des 19. Jahrhunderts wurden die großen Spitze vom Schäferhundeverein betreut, denn sie zählten vielerorts zu den Schäferhunden, und die kleinen Spitze von Zwerghundeklubs, bis 1899 der "Verein für Deutsche Spitze" auf Initiative von Charles Kammerer aus Wien gegründet wurde. Sofort wurde ein eigenes Spitzzuchtbuch eingeführt (DSpZB), 1900 folgten dann die ersten Rassekennzeichen, 1905 eine Broschüre über Spitze und ab 1908 kam eine Vereinszeitung heraus. Der Mitgliederbestand bewegte sich damals noch in sehr bescheidenem Rahmen und sank nach dem Ersten Weltkrieg nochmals massiv.
Ab 1905 beschloss man, beim Großspitz auf Größe zu züchten. Wolfsspitze sollten nun mindestens 45 cm groß sein, Großspitze mindestens 40 cm. Bis dahin entsprach der Großspitz eher dem heutigen Mittelspitz, und es gab bis dato nur den Großspitz und den Kleinspitz, die Einführung der Klasse "Mittelspitz" wurde auch noch im Jahre 1955 abgelehnt. Der Wolfsspitz allerdings wurde hierbei deutlich durch seine Größe und Statur aber auch durch seine Farbe und verschiedene andere Merkmale von den anderen Spitzen abgegrenzt, er galt vielen auch als älteste Spitzform (Jean Bungartz).
Die Zeit nach dem Zweiten Weltkrieg war geprägt vom Kampf um's nackte Überleben. Geld war wertlos, die einzig stabile Währung waren Zigaretten. Trotzdem stieg die Anzahl der eingetragenen Welpen in den Vereinen. Dahinter steckte allerdings eine schiere Überlebenstrategie, denn natürlich waren Spitzwelpen ein begehrtes Tauschobjekt für die Städter während ihrer "Hamstertouren" zu den Bauern. Ab 1948 wurden auf Ausstellungen wieder Deutsche Spitze vorgestellt - und zwar 632, eine bisher nie dagewesene Anzahl. Allein 305 wurden in Mühlheim an der Ruhr ausgestellt. In späteren Jahren korrigierte sich diese Anzahl aber wieder auf eine Menge von ca. 300 nach unten.
Bis 1910 wurden in Deutschland in sage und schreibe 7 Vereinen Spitze gezüchtet. Aus Berichten aus Fachzeitschriften dieser Zeit ist bekannt, dass die Vereine allesamt eigene Ausstellungen bestritten:
Ab 1910 schlossen sich die meisten dieser Spitzvereine unter dem damaligen Dachverband "Kartell" (Vorläufer des VDH) zusammen und züchteten den Deutschen Spitz in drei Varietäten:
Vermutlich war es gar nicht so leicht, aus dieser noch sehr ursprünglichen Rasse, die gerade erst vom Kutschbock herabgesprungen war, einen modernen Hund mit einheitlichem Typus zu machen. Dennoch legte man schon vor dem Erscheinen der Rassestandards zum Beispiel auf eine volle Halskrause und eine reichlich behaarte Rute großen Wert. Auch auf ein quadratisches Gebäude wurde seit jeher geachtet, langgestreckte Spitze galten als nicht zuchttauglich. Im Gegensatz zu späteren Standardbestimmungen bevorzugte man damals den Spitz mit einem runden, gewölbten Schädel. Hunde mit flachem Schädel galten als fehlerhaft. An Farben war so ziemlich alles vorhanden, was man sich vorstellen kann: weiße, cremefarbene, goldgelbe, fuchsrote, braune, schwarze, blaue, graugewolkte und gescheckte Spitze gab es damals. Der Schwerpunkt bei der Zucht der großen Spitze lag damals dennoch auf den Standardfarben schwarz, weiß, braun und graugewolkt, da die Fellfarbe der Hunde an ihre jeweilige Verwendung gekoppelt war.
Auf dem Land war der Spitz schon seit alten Zeiten ein verlässlicher Wächter und kündigte als sogenannter "Mistbella" eifrig die Ankunft eines Fremden an. Aufgrund seiner Heimattreue ist ja der Spitz nicht interessiert am Herumstrolchen und Wildern, daher haben sich insbesondere die Jäger dem Spitz zugewandt - und mit Vorliebe dem Wolfsspitz. In einzelnen Landesverbänden des Deutschen Jagdschutzverbandes wurde der Wolfsspitz sogar gezüchtet. So dafür gesorgt, dass der Besitzer billig einen Wolfsspitz bekam, wenn sein wildernder Hund erschossen wurde. Daher legte es der Deutsche Jagdschutzverband seinen Mitgliedern dringend ans Herz, die systematische Zucht des Wolfsspitzes zu betreiben und weite Kreise mit diesen äußerst nützlichen Hunden zu versorgen.
Weil Spitze klein und wendig sind, passten sie auch in die engen Räumlichkeiten vergangener Zeiten (wie Schiffskajüten und Planwagen), als noch die derben Fuhrmänner die Könige der Straßen waren. Was also der Stallpinscher einst in Süddeutschland war, das war der Spitz im Norden des Landes: er war der ständige Begleiter der Lastenfuhrwerke - oder auch "Hafermotoren von 2 PS mit Peitschenzündung" - die vor dem Eisenbahnzeitalter den Gütertransport über weite Strecken besorgten. Hier hatte der Spitz seine Aufgaben als Wächter über das Transportgut und als Vertilger der Ratten und Mäuse in den Pferdeställen. Seine Besitzer hielten viel auf ihn; die anderen naturgemäß weniger. 😉
Als Fuhrmannsspitz saß er neben dem Kutscher oder machte es sich auf der Ladung mehr oder weniger gemütlich, oder er befand sich in einer Kiste, die unter dem Wagen an Ketten aufgehängt war und hin- und herschaukelte. Fand sich gar gar kein Platz für ihn, so trottete er neben dem Wagen her. Noch in den 1880er Jahren waren die Botenfuhrwerke überall in Deutschland unterwegs. In Süddeutschland soll vor allem der schwarze Spitz mitgefahren sein, während im Bergischen Land und am Niederrhein die Wolfsspitze mit von der Partie waren. Im Standard von 1880 wurde der Begriff "Fuhrmannsspitz" sogar als Synonym für den Wolfsspitz gebraucht.
F. Specht 1872 über den Fuhrmannsspitz:
"Die uns bekannteste Species ist sicher der sogenannte Pommer, ein Spitzer nach altem Schrot und Korn, ein Grimmbart, wie er reizbarer und empfindlicher nicht gedacht werden kann. [...] Sah man ein derartiges Gefährt eisen- und kettenklirrend auf der staubigen, holperigen Landstraße im Schneckenschritt sich daherwälzen, so konnte man sicher sein, eines Spitzers feine, kläffende Stimme zu hören, die im Zorne und in der Bosheit oftmals überschnappte und heiser zu werden drohte. ....Mit einer Wachsamkeit begabt, wie sie penibler bei keiner anderen Hunderace zu finden ist, war er für das Leben und Treiben, welches das Fuhrwesen mit sich brachte, wie geschaffen; mit dem Knechte und seinen Pferden war er vollständig verwachsen. War der Knecht munter, dann schlummerte Meister Spitz, schlief der Knecht, ermattet von des Tages Mühen und gedrückt von der Sonnengluth....dann war der Spitz sicher auf seinem Wachposten. Entweder saß er spähend und lauschend bei seinem Herren oder er lief patrouillieren unter der Plane, geschickt über Kiste und Kasten hinwegspringend....und wie geschickt wußte er seine Untergebenen, denn dafür sah er die Pferde an, in kritischen Fällen zu leiten, sie zum Ausweichen zu veranlassen oder vor Fehltritten zu warnen. Er dirigierte mit außerordentlichem Überblick, mit größter Ruhe und Sicherheit und mit höchst lobenswerter Unermüdlichkeit und Ausdauer den ganzen Zug, so daß der Fuhrknecht sich ruhig dem Halbschlummer überlassen konnte. Sein Gespann war in den besten Händen."
Mit dem Aufkommen der Eisenbahn verschwanden die Fuhrwerke und ihre vierbeinigen Begleiter mehr und mehr, doch bei den Flusskahnschiffern verrichteten die Spitze ihren Dienst noch jahrzehntelang. Aufgepflanzt wie eine Gallionsfigur standen sie oft am Bug der Lastkähne: "Sie neigen stattdessen zu bellender Selbstunterhaltung. Wer einmal auf einem rheinischen Schlepperkahn den Bordhund beobachtet hat, der aus alter Tradition stets ein Spitz ist, kann bestätigen, wie nett sich so ein Hund allein unterhalten kann, wenn er sich laut über die Wellen außerbords, die Wolken, die ferne Eisenbahn, ein Flugzeug oder sonstwas ausspricht."
Die Wachsamkeit des Spitzes kam aber nicht nur als Fuhrmannshund zur Geltung, sondern überall da, wo es etwas zu bewachen gab und ein aufmerksamer, flinker Tausendsassa erforderlich war. So erinnerte etwa das Urban-Denkmal in Stuttgart, das einen Winzer mit einem Spitz zeigte, an den "Weinbergspitzer", der ungebetene zwei- und vierbeinige Besucher aus den Weinbergen zu vertreiben hatte und selbst die Vögel mit seinem Gebell verscheuchte (das Denkmal wurde nach dem zweiten Weltkrieg eingeschmolzen, erhalten sind nur einige mäßige Bilder). Das Kuhhirtendenkmal in Bochum, das ebenfalls eingeschmolzen, aber 1962 in einer originalgetreuen Kopie wieder aufgestellt wurde, zeigt einen ins Horn blasenden Kuhhirten, zu dessen Füßen ein großer Spitz steht.
In den süddeutschen Weinanbaugebieten waren vor allem die schwarzen Großspitze weit verbreitet, die tagsüber den Hof bewachten und nachts in den Weinbergen Wache schoben (daher nannte man sie früher auch "Weinbergspitze"). Ein gefürchteter Räuber in den Weinbergen war und ist das Wildschwein. Da Wildschweine sehr gefährlich werden können war der schwarze Großspitz als mittelgroßer, nachts unsichtbarer und sehr, sehr flinker Hund geradezu prädestiniert, um immer wieder zwischen den Reben zu verschwinden und so den potentiell tödlichen Hauern der Wildschweine zu entgehen. Aufgrund dieses seines Einsatzgebietes kann man schon sagen, dass der schwarze Großspitz auch der schärfste unter den Großspitzen ist, denn für solche Kapriolen braucht man schon echt Mumm!
Der weiße Spitz war eigentlich immer der typische Bewacher des Hofes und wurde zudem auch zum Hüten von Schafherden eingesetzt. Die weiße Fellfarbe ist für einen Hütehund insofern von großer Bedeutung, als dass man ihn so auch aus der Distanz und in der Nacht vom Wolf unterscheiden kann. Die weißen Spitze sind übrigens in der Regel etwas gemäßigter als die schwarzen Spitze. Zu Beginn des 20. Jahrhunderts wurden viele weiße Spitze nach Frankreich exportiert, wo sie leider mit Samojeden gekreuzt wurden. Aus dieser Kreuzung stammte beispielsweise der französische Champion "Prince LuLu".
Der Wolfsspitz bildet eine eigene Gruppe innerhalb der Großspitze, denn er ist nicht nur wesentlich größer (ursprünglich mal um die 60 cm Schulterhöhe) und derber gebaut als der Großspitz, nein, sein Fell ist auch von völlig anderer Struktur. Charakterlich ist er wesentlich gemütlicher als der Großspitz, aber auch sturer. Dennoch ist er keine Schlaftablette und wenn er sauer wird, dann aber mit Anlauf. Auch der Wolfsspitz wurde wie der weiße Spitz vorwiegend als Hofwächter und Hütehund verwendet.
Der Charakter des Spitzes wird in besonderem Maße von seinen Eigenschaften als Wachhund bedingt. Seine Wachsamkeit ist sprichwörtlich und oft wurde er gerade deswegen falsch beurteilt. Immer wieder wurde ihm fehlende Anhänglichkeit nachgesagt und sogar Strebel, der als Kynologe sehr objektiv war, schrieb vom Spitz, dass dieser mehr an den zu bewachenden Gegenständen hinge, als an seinem Besitzer - was natürlich Quatsch ist.
Seine erstaunliche Beweglichkeit und Flinkheit lassen sich damit erklären, dass der Spitz eben nicht nur Hofhund war, sondern der bevorzugte Begleiter der Fuhrleute. Da war er ständig unterwegs, nicht nur mit seinem Herrn von einem Ort zum anderen, sondern er sprang auch während der Fahrt zwischen den großen Wagen hin und her, damit nicht etwa unbemerkt von hinten etwas von der wertvollen Ladung gestohlen werden konnte. Noch vor gar nicht so langer Zeit lief also beinahe hinter jedem Überlandfuhrwerk ein eifriger Spitz her, den Kopf unter dem Wagenkasten und bereit, blitzschnell darunter hervorzuschießen, wenn irgendetwas seine Aufmerksamkeit erregte. Genauso eifrig sah man ihn auch auf den Lastkähnen der Binnenschiffe, wo er von vorn nach hinten schoss, bereit alles Störende auszuschimpfen. Einem Spitz entgeht nämlich nichts, ob vor der Haustür jemand stehenbleibt, ob im Schuppen etwas poltert, ob auf dem Hof ein Huhn auf verdächtige Weise gackert - unverzüglich eilt er zu jeder Lärmquelle, um nach dem Rechten zu schauen und seinen Senf dazuzugeben. In jedem Fremden, der ins Haus tritt, vermutet er einen Verdächtigen und es dauert stets eine ganze Zeit, bis er sich von der Harmlosigkeit eines Besuchers überzeugen lässt. Zu Bestechen ist er nicht. Bietet ihm jemand einen Keks zur Beschwichtigung, wird er nur umso misstrauischer.
Den Beweis dafür, wie nützlich sich diese unerschütterliche Wachsamkeit erweisen kann, liefert ein Vorfall, der sich in den 1950er Jahren ereignete und von dem auch in den Zeitungen berichtet wurde: Einbrecher drangen in die Wohnung eines Metzgermeisters ein, der mit seiner Familie unterwegs war. Die Nachbarn hörten den Wolfsspitz des Meisters ununterbrochen bellen. Da das Gebell immer heftiger wurde und dann und wann von von schmerzlichem Aufheulen unterbrochen wurde, riefen diese die Polizei. Es gelang ihnen, einen der Verbrecher dingfest zu machen. Der Hund wurde blutüberströmt und von vierzehn Messerstichen verletzt aufgefunden. Die Diebe hatten jedoch ohne Beute das Feld räumen müssen, nachdem sie den ohne Unterlass bellenden, sich ihnen auch immer wieder geschickt entziehenden Hund durch die ganze Wohnung verfolgt und vergeblich zum Schweigen gebracht hatten. Der Wolfsspitz wurde durch aufopfernde Pflege unter Anteilnahme der ganzen Stadt wieder gesundgepflegt. Er hat bewiesen, dass die alte Spitzeigenschaft des nicht nachlassenden, in diesem Falle geradezu heldenhaften und unter Schmerzen durchgehaltenen Bellens genau das richtige Verhalten war. Denn das Melden des Verdächtigen ist das Wichtigste; der auf sich allein gestellte und blindwütig angreifende Hund wird sehr schnell verstummen und keine Hilfe mehr herbeibellen können, denn er wird dem bewaffneten Verbrecher immer unterlegen sein.
Insgesamt unterscheidet sich das Wachen der Spitze vom Wachen sogenannter Wachhunde (wie etwa Schäferhunde) doch recht deutlich. Hunde, die auf ihre Aufgabe als Wächter eindeutig nicht züchterisch selektiert wurden, haben das Problem, dass ihnen oft das nötige Misstrauen gegenüber Fremden fehlt, welches der Spitz von Haus aus mitbringt. Daher muss der Spitz auch nicht zum Wächter erzogen werden, denn er ist dazu geboren. Seine Fähigkeiten resultieren zu einem großen Anteil aus der tief im Spitz verankerten Raubzeugschärfe.
Natürlich muss sich ein guter Wachhund seinem Herrn auch unterwerfen, aber wenn dieser abwesend ist, sollte er in der Lage sein, selbständig Entscheidungen zu treffen und diese auch durchzusetzen. Daher hat man im Spitz einen sehr anhänglichen, aber mitunter auch eigensinnigen bis dickköpfigen Kameraden, der nun einfach mal eine eigene Meinung hat.
Während diese Wächter-Eigenschaften bei Bauern und Fuhrleuten geschätzt waren, wollten die Menschen in Städten eher stille Hunde, die nicht kläffen. Mit der zunehmenden Industrialisierung und dem starken Zuzug der Landbevölkerung in die Städte des 19. Jahrhunderts verlor daher der Spitz als Gebrauchshund langsam seine Bedeutung.
Nachdem viele Spitze aufgrund der Nahrungsmittelknappheit, während des Krieges und in der Nachkriegszeit, getötet werden mussten, erholten sich zwar die Kleinspitz- und die Wolfsspitzpopulation recht schnell (1948 wurden rund 1500 neue Wolfsspitze registriert), die der Großspitze jedoch nicht. Gerade die weißen Großspitze waren in ihrem Bestand derart dezimiert, dass ihre Zucht im Prinzip nur noch hochgradig inzüchtig möglich war. Wichtig ist hierbei der Hinweis, dass es sich jedoch nur um die Vereinsspitze handelte, die quasi von der Bildfläche verschwanden. Auf den Bauernhöfen gab es zu dieser Zeit noch mehr als genug „Dorfspitze“ und "Landschläge", diese übersah man seitens des "Vereins für Deutsche Spitze" aber tunlichst.
Ein Zwinger tat sich bei der anschließenden "Rettung" der weißen Großspitze besonders hervor, und zwar der Zwinger „von der Norisschanze“ von Züchter Willy Wintzheimer. Dieser vollbrachte das Wunder, den weißen Großspitz - im Prinzip ohne vorhandene Zuchttiere - wieder erfolgreich aus der Versenkung zu holen. Herr Wintzheimer erschuf damals Großspitze von geradezu erstaunlicher Größe! Einer dieser „erfreulich großen Spitze“ [2] wurde - zum Entsetzen des Vereins - auf einer internationalen Rassehundeausstellung in Utrecht vom holländischen Richter mit einer an Disqualifikation grenzenden Wertnote aus dem Ring entlassen, mit der Begründung, dass es sich bei dem Tier (dem damaligen Weltsieger) nicht um einen Großspitz, sondern um einen Samojeden-Spitz-Mischling handeln würde. [3] Wie kam der gute Mann denn um Himmels Willen nur darauf? 😬
Waren bis dahin noch alle Farben erlaubt, wurde mit der Einführung der Farbreinzucht zum 01.01.1958 das Verpaaren verschiedener Farbschläge verboten. Zudem fiel die Bezeichnung „andersfarbig“ weg, womit Scheckentiere faktisch ausgeschaltet wurden. Für alle Spitzvarietäten waren nur noch die Farben Schwarz, Weiß, Braun, Grau und Orange zulässig. Man wollte mit dieser Maßnahme der Verwässerung der verschiedenen Farbschläge entgegenwirken, schoss aber – gerade in Anbetracht des geringen Bestandes an Großspitzen – mit Bravour über das Ziel hinaus. Obwohl der Kerngedanke hinter dieser Maßnahme absolut nicht von der Hand zu weisen ist, wäre es sicherlich sinnvoller gewesen, die Verpaarung der unterschiedlichen Farbschläge unter strengen Auflagen auch weiterhin zu gestatten.
1965 erfolgte dann als nächster Schritt die Trennung von Wolfsspitzen und Großspitzen. Diese durften nun überhaupt nicht mehr miteinander verpaart werden. Auch hier war der Grund die Reinzucht: man wollte wissen, was man züchtet und was genau geworfen wird. Bis dato fielen in Wolfsspitzwürfen Großspitze und in Großspitzwürfen Wolfsspitze. Oder auch beides gleichzeitig. Das lag daran, dass gerade während der Zeit des 2. Weltkriegs die Groß- und Wolfsspitze doch relativ inflationär miteinander gekreuzt wurden. Um dem Herr zu werden, beschloss man daher die Trennung von Wolfsspitz und Großspitz und das Verbot der Verpaarung beider Varietäten. Dies führte jedoch dazu, dass man das Kind mit dem Bade ausschüttete Die damalige Ausschaltung der Wolfsspitze als mögliche Verpaarungspartner führte den Großspitz erstmals an den Rand des Aussterbens, sie war also in ihrer strikten Umsetzung unter den damaligen Umständen nicht allzu glücklich.
1969 erfolgte dann die Einführung des Mittelspitzes, denn nachdem die Einteilung und Zucht der Spitze nach Größe anerkannt wurde, klaffte jahrzehntelang im Größenbereich von 28 bis 40 cm ein schwarzes „Nichts“. Hier wie dort war das sehr schade, denn viele gute, kräftige Hunde gingen der Zucht verloren. Die neue Regelung (vorerst als Übergangslösung) galt jedoch nur für zu große Kleinspitze und nicht für zu kleine Großspitze oder Wolfsspitze, diese waren vom Paarungsprozess der Mittelspitze ausgeschlossen. Paarungen waren daher nur unter Mittelspitzen erlaubt, die Würfe jedoch wiederum als Kleinspitze eingetragen, um dann bei Übergröße erneut als Mittelspitz umgetragen zu werden. Dies sollte sechs Generationen lang fortgesetzt werden.
Zudem wurde der Deutsche Spitz zwischen 1973 und 1979 immer mal wieder von der FCI-Rubrik 1 "Wachhunde ohne Arbeitsprüfung" in die FCI-Sektion 9 "Schoß- und Gesellschaftshunde" versetzt. Aufgrund des Einspruchs seitens zu Recht empörter Vereinsmitglieder durfte der Spitz kurz wieder zurück zu den Wachhunden, um danach endgültig bei den Schoßhunden zu landen. Damit wurde - insbesondere den großen Spitzen - der Gebrauchshundestatus entzogen.
1974 erfolgte dann die Einführung des neuen Größenschlags „Zwergspitz“. Zudem wurde die Verpaarung unterschiedlicher Größenschläge verboten.
1994 erfolgte schließlich die Einbindung der Keeshonden in den Wolfsspitzstandard. Dafür wurde die standardmäßige Größe des Wolfsspitzes (vorher bis maximal 60 cm) auf 49 cm ± 6 cm gesenkt.
2003 verkündete die GEH (Gesellschaft zur Erhaltung alter und gefährdeter Haustierrassen), dass Groß- und Mittelspitze als vom Aussterben bedrohte Haustierrassen gelten. Eine Hunderasse gilt dann als bedroht, wenn weniger als 300 Welpen pro Jahr ins Zuchtbuch eingetragen werden. Der Großspitz gilt sogar als „extrem gefährdet“ und fast alle noch lebenden Exemplare sind leider mehr oder weniger miteinander verwandt. Aber auch beim Mittelspitz sieht es nicht viel besser aus, die GEH hat ihn deshalb als „stark gefährdet“ eingestuft.
Seit 2019 ist es unter Auflagen erlaubt, farbübergreifend zu verpaaren, ebenso ist die Verpaarung zwischen Großspitz und Mittelspitz und und die zwischen Mittel- und Kleinspitz wieder erlaubt.
[1] www.christies.com/lot/lot-4364608/?intObjectID=4364608
[2] Zitat Hugo Dannacher in „Der Deutsche Spitz“ Nr. 16, Seite 9 f.
[3] Interessanterweise betreute der Verein für Deutsche Spitze seit 1954 auch die Samojedenzüchter für einige Jahre.
[4] "Der Deutsche Spitz" Nr. 19, Seite 10
[5] "Der Deutsche Spitz" Nr. 44, Seite 5
[6] Luttrell-Psalter. London, British Library, Add. Ms. 42130, fol. 70v. England um 1330-1340
[7] Luttrell-Psalter. London, British Library, Add. Ms. 42130, fol. 158. England um 1330-1340
Stand: 25.05.2023
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