Die Geschichte des Hundeverzehrs


Alles über den Hund als Fleischlieferant


INHALTSVERZEICHNIS:

Hund Schlachtung Birk

Seit vielen Jahren ist der Hund bei uns nicht nur Hund, sondern er avancierte zum Familienmitglied, zum Freund, zum Seelentröster oder sogar zum Therapeuten und ist hierzulande nicht mehr wegzudenken als "soziales Gleitmittel". Teilweise geben die Halter immense Summen für ihre Vierbeiner aus, teilweise pervertiert die Liebe zum Hund in allen erdenklichen Formen. Dies war allerdings nicht immer so und die Zeiten, in denen auch bei uns in Deutschland Hunde als Fleischquelle benutzt und ihres Fleisches wegen geschlachtet wurden, sind noch gar nicht so lange her. 

 

Was kaum einer weiß: auch in Deutschland sind Hunde bis vor knapp vier Jahrzehnten in staatlich kontrollierten Schlachthäusern gekeult worden. Erst 1986 wurde das Töten von Hunden und Katzen zwecks Fleischgewinnung gesetzlich verboten. Auch erstreckt sich der Geschmack am Hundefleisch nicht ausschließlich auf Asien, denn in manchen Kantonen der Schweiz wird auch heutzutage noch gern etwas Hund genascht. Generell lautet die Regel: wo keine enge Mensch-Hund-Beziehung vorhanden, entwickeln sich auch keine Barrieren, die Canis Lupus Familiaris vor der Jagd auf sein Fleisch bewahren. Aber schauen wir uns die Geschichte des Hundeessens mal kurz an. Sehr schwache Gemüter sollten sich an dieser Stelle überlegen, ob sie sich dieses Thema hier wirklich antun möchten.

Vorwort

Dass Asiaten Hunde und Katzen essen, ist ja kein Geheimnis. Kantonesen, so heißt es, würden alles essen, was vier Beine hat, außer Tische, und alles, was Flügel hat, außer Flugzeuge. Unbekannt ist jedoch zumeist, dass es sich beim Hundebraten keineswegs um ein Alltagsgericht in Asien handelt, sondern dass Hund recht teuer ist und auch nur zu besonderen Anlässen verspeist wird. Hund essen ist ein soziales Ereignis, welches gern im größeren Kreis stattfindet. Länder, in denen Hunde gegessen werden, sind unter anderem: Korea, Vietnam, China, die Philippinen und teilweise Mittel- und Südamerika.


In Afrika ist die Sache etwas uneinheitlich, Gegenden in denen Hunde gegessen werden, wechseln sich ab mit Gegenden, deren Bewohner den Verzehr von Hunden als ebenso verabscheuungswürdig betrachten wie wir und die ihre Hunde essenden Nachbarn für primitive Barbaren halten. 

 

Aber auch in Westeuropa wird durchaus noch die Tradition des Hundeessens gepflegt, insbesondere in den ländlichen Gegenden der Schweiz oder Österreichs, ebenso in Belgien und in Frankreich, wo in bestimmten Gourmet-Restaurants auf Wunsch und ganz diskret Hund zum Mahl gereicht wird. Auch in Teilen Spaniens wird heutzutage noch Hund und Katze gegessen. 

 

Bei uns in Deutschland ist der Verzehr von Hunden und Katzen gesetzlich verboten, allerdings ist dies nur die juristische Sanktion eines ohnehin gesellschaftlich allgemein anerkannten Tabus. Das heißt, dass jedes Brechen dieses Verbots auch eine dramatische kulturelle Grenzverletzung darstellt, die für den Betreffenden quasi einen Ausschluss aus der Zivilisation zur Folge hat. Wer Hunde frisst, ist für uns kein Mensch mehr! Kynophagie (= Hunde essen) ist eben für uns fast ein Akt des Kannibalismus und stellt einen vorweggenommenen Bruch des stärksten Nahrungstabus dar, das wir hier kennen.

Vor 1986 konnte jeder Mensch in Deutschland legal Hunde schlachten, auch den eigenen. Neben dem Fleisch war vor allem das Hundefett begehrt, da es als wirksame Medizin gegen Atemwegserkrankungen bekannt war und tatsächlich ein tuberkulostatischer Effekt nachweisbar ist. Diese Schlachtungen fanden keineswegs im gesetzlosen Rahmen statt, sondern waren bis 1986 ausdrücklich erlaubt, solange ausdrückliche Regularien eingehalten wurden. Vorab musste der Besitzer den legalen Erwerb des Tieres nachweisen und die fällige Schlachtgebühr bezahlen. Die Schlachtung selbst fand in abgetrennten Räumlichkeiten innerhalb des Schlachthofes statt - aus seuchenhygienischen Gründen - ebenso wie die vorgeschriebene Fleischbeschau. 

 

Das Hundefett und das Fleisch wurden sowohl auf legalen als auch auf illegalen Märkten feilgeboten. Gerade Schwarzmärkte gab es in vielen Städten, zum Beispiel gab es in Hamburg im Schanzenviertel einen illegalen Hundemarkt namens "Fido". Hundefett gab es übrigens bis 1986 auch in den Apotheken zu kaufen, war aber aufgrund der großen Nachfrage eigentlich immer ausverkauft. 

 

In der Öffentlichkeit waren die Hundeschlachtungen spätestens ab den fünfziger Jahren sehr umstritten, dennoch brauchte es noch drei Jahrzehnte bis zum endgültigen Verbot. Tatsächlich wurde besonders seitens der CDU wenig getan, um zu verhindern, dass den geliebten Vierbeinern das Fell über die Ohren gezogen wurden. Allerdings lagen dieser Untätigkeit berechtigte juristische Zweifel zugrunde, auf die noch eingegangen wird.

Der Hund in der Pfanne


Während es für eine "arme" mittelalterliche Familie noch normal war, mindestens dreimal pro Woche frisches Fleisch auf dem Tisch zu haben, konnten die Arbeiter ab dem Zeitalter der Industrialisierung von solchen Zuständen nur träumen. Die bürgerliche Armenküche hängt den Brotkorb hoch und lässt Fleischerzehr zu einer absoluten Seltenheit werden. Auf der Suche nach preiswertem Fleisch, das den schwer arbeitenden Männern die benötigte Kraft gab, kam man zuerst auf das Pferd. Pferdefleisch wurde bei unseren germanischen Altvorderen sehr gern verzehrt und galt als Delikatesse. Pferde (besonders die Schimmel) waren ihnen heilig und ihr Fleisch wurde zu besonderen Anlässen rituell verspeist. Dem schob die katholische Kirche ab dem 8. Jahrhundert einen Riegel vor, in dem Versuch alles Heidnische mit Feuer und Schwert auszurotten. Fortan galt Pferdefleisch als geächtet und der Genuss des selbigen wurde verboten. Die kirchlich oktroyierten Vorurteile gegen das Pferdefleisch waren auch nach über 1000 Jahren noch stark in der Bevölkerung vertreten und nur die nackte Not ließ es zu einem akzeptierten Nahrungsmittel avancieren. Dennoch war dies nicht der Weisheit letzter Schluß, gerade weil Pferde teuer waren und Aufzucht und Unterhalt viel Zeit und Geld kosteten. Das Pferd war einfach zu kostbar, um es den Armen zum Fraß vorzuwerfen. Also brauchte man eine noch bessere Idee. 

 

Und so entdeckte man den Hund: ein guter Futterverwerter, leicht zu halten und zu züchten und - abgesehen von Jagdhunden und Wachhunden - auch absolut unnütz, denn die Streuner der Städte bedeuteten den Bürgern nur wenig und waren ihnen eher lästig. Die Mode, Hunde als Begleiter zu halten und mit ihnen die Straßen entlangzuflanieren kam erst langsam auf. So wurde der Hund auserkoren und sein Fleisch stark beworben, da "eingefleischte" Tabus (im wahrsten Sinne des Wortes) und Vorurteile gegen das Verspeisen von Hunden (wie beim Pferd) sehr tief in der Bevölkerung saßen. Hundefleisch sollte also als billige Alternative zu Schwein oder Rind gelten. So entstanden nach und nach in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts Hundemetzger, die sich für die Fleischgewinnung sowohl Streuner als auch gezüchtete oder gestohlene Caniden zu beschaffen wussten. Trotzdem muss gesagt werden, dass sich die arme Bevölkerung an Hund und Katze wirklich nur in schlimmen Notzeiten vergriff. Diese unfreiwillige Kost wurde umgehend wieder abgesetzt, sobald sich die Zeiten änderten. Wie wenig man des Hundes Fleisch schätzte, kann man auch aus den Strafregistern herauslesen: wurde ein Metzger im Mittelalter dabei erwischt, dass der seinen ahnungslosen Kunden Hundefleisch verkaufte, kostete ihn dies den Kopf, da die mittelalterliche Zunftordnung verlangte, dass er seinem Handwerk ordentlich und auf ehrliche Weise nachging. Dem Bürgertum der Industrialisierung fehlte solcher Idealismus und es weigerte sich hartnäckig, eine Pflicht zur Kenntlichmachung von Hundefleisch in den Metzgereien einzuführen. Diese wurde erst 1937 durch die NSDAP gesetzlich vorgeschrieben und war auch dringend geboten, da bis dato vielerlei Betrügereien mit Hundefleisch in Restaurants und Schlachtereien aktenkundig geworden waren. 

 

Befördert durch das soziale Elend wurden Hundeschlachtungen in den Arbeitervierteln der Städte und in den Elendsvierteln zu einer weit verbreiteten Erscheinung, besonders in Schlesien, Thüringen, Bayern, Württemberg, Brandenburg und Berlin. Auch der alte Glaube an die Wirksamkeit des Hundefetts gegen Atemwegserkrankungen trug zur Verbreitung des Hundefleisches als Nahrungsmittel bei. Hundefett (Adeps Canis) wurde seit Jahrhunderten innerhalb der Volksmedizin bei Erkrankungen von Mensch und Vieh angewendet. Dieses Fett konnte man bei sogenannten Vasenmeistern erwerben, die für die Beseitigung von Tierkadavern verantwortlich waren. Das Fett wurde pur eingenommen, mit Brot gegessen oder unter die Mahlzeit gemischt. Aufgrund der heilsamen Kräfte des Hundefetts bei Atemwegserkrankungen war es besonders in Gegenden weit verbreitet, in denen es viel Bergbau, Glasindustrie oder andere lungengefährdende Gewerbe gab. Langfristig resultierte aus der medizinischen Anwendung dann auch die Verwendung des Fleisches der Caniden in den betreffenden Gegenden.

Die Hunde, die vor allem der Ernährung dienten, wurden entweder gezüchtet oder es wurden Streuner aufgegriffen. In vielen Vierteln entstanden in den engen Hinterhöfen stinkende Verschläge oder Zwinger, in denen die Hunde gemästet wurden. Eine Hundehaltung, wie wir sie aus der Gegenwart kennen, war damals unbekannt und auch nicht möglich. Als Allesfresser war der städtische Streuner ein direkter Nahrungskonkurrent des Menschen; Hundehaltung selbst war ein Luxus, den sich nur wohlhabende Bürger leisten konnten. Dies bringt uns allerdings direkt zu einer weiteren Möglichkeit, sich Hunde zu verschaffen: Sie wurden gestohlen. Betroffen waren hier besonders die wohlhabenden Städter, die es sich leisten konnten, einen Hund durchzufüttern. Diese Art der Fleischbeschaffung wurde nach und nach zu einem Problem in den Städten, sodass viele Stadtteile verrufen waren und von Hundebesitzern gemieden wurden, wie zum Beispiel die Weberkolonien um Potsdam herum. Es hagelte Anzeigen, doch für die Opfer der Entführung kam meist jede Hilfe zu spät. Daher wurde vielfach die Forderung erhoben, alle zum Schlachten bestimmten Hunde lebend und mit Steuermarke den Behörden vorzuführen.

 

Der Metzger zahlte dem Hundefänger das Schlachtgewicht, es kam nicht darauf an, ob es sich um einen Rassehund oder einen Streuner handelte. Für lebend gebrachte Tiere gab es daher zwischen ein bis drei Mark. Bei uns wurde keine Hunderasse der anderen aus geschmacklichen Gründen vorgezogen. Ganz anders in Asien: hier wurde eigens der Chow-Chow als wohlschmeckende Hunderasse für die Küche gezüchtet. Es ist übrigens Tatsache, dass die Hundemetzger durchaus Hunde aufkauften, ohne nach ihrer Herkunft zu fragen. Daraus entsprang ein neuer und lukrativer Erwerbszweig, nämlich der der Hundeentführung: Man stahl den Hund eines wohlhabenden Tierfreundes und erpresste ein Lösegeld. Da die Rassehunde oft mehrere hundert Mark kosteten, was damals wirklich viel Geld war, war der Besitzer in der Regel zur Zahlung des "Finderlohns" bereit. 

 

Gestohlene Hunde wurde gegen Ende des 19. Jahrhunderts in München auch auf dem offiziellen Hundemarkt, der an Sonn- und Feiertagen auf dem Viktualienmarkt stattfand, angeboten. Nach Bekanntwerden dieser Verhältnisse wurde der Markt mehrmals geschlossen, sodass Käufer und Verkäufer begannen, sich "privat" zu treffen - zum Beispiel im Verein "Geschlossene Hundebörse", der im Gasthaus "Oberotti" in der Sendelfingerstraße 55 tagte. Ab 1920 wurde regelmäßig ein Hasen- und Hundemarkt im "Braunauer Hof" in der Frauenstraße 3 abgehalten, um ab 1927 beim "Schweizerwirt" in der Tegernseer Landstraße 64 stattzufinden. Hier wurden noch 1951 Hunde geschlachtet und die Bild erwähnt das Lokal 1954 als Umschlagplatz für Schlachthunde.

Hund Schlachthaus
Hundestempel aus dem Schlachthaus (oben links) [1]

Die Örtlichkeiten, an denen geschlachtet wurde, waren ursprünglich alles andere als hygienisch und durch das Gewinsel der noch lebenden Tiere sowie die stinkenden Abfälle wurden sie mehr und mehr zu einem öffentlichen Ärgernis. Die Kontrolle der hygienischen Verhältnisse blieb fast überall auf der Strecke, trotz staatlicher Inspektoren. Da aber Hundefleisch gerade in den armen Teilen der Bevölkerung eine wichtige Rolle spielte, kam niemand auf die Idee, ein generelles Schlachtverbot für Hunde und Katzen einzufordern. Der Gedanke, den Hund als besonderes Tier unter Schutz zu stellen, wäre den Menschen damals geradezu absurd vorgekommen. Hier ging es vor allem darum, für die Hundeschlachtungen einen vertretbaren, gesetzlichen Rahmen festzulegen. Ziel war es, das Töten von Tieren und ihre Verarbeitung aus dem öffentlichen Leben der Städte zu nehmen, da vor dem Bau von Schlachthöfen die Tiere für alle sichtbar auf Straßen und Plätzen geschlachtet wurden. Daher wurde seitens aller deutschen Länder bis zur Jahrhundertwende der Schlachthofzwang für gewerbliche Hundeschlachtungen eingeführt. Die Gebühr dafür betrug ungefähr 50 Pfennig und es war der rechtmäßige Erwerb des Tieres nachzuweisen. Trotz des behördlichen Zwanges zum Besitzernachweises gab es genügend Metzger, die für etwas Kleingeld oder einen Teil des Fleisches jeden Hund schlachteten, ohne nach Steuermarke oder Geburtsurkunde zu fragen. Schätzungen zur Folge kamen auf jeden legal geschlachteten Hund drei Schwarzschlachtungen. 

  

Der Preis für Hundefleisch und Pferdefleisch lag übrigens 1982 (!) in München und Dresden bei 50 Pfennige je Kilo, während Rind und Schwein auf 1,24 bis 1,52 Mark kamen. Durch den attraktiven Preis fand Hundefleisch in ganz Deutschland Absatz, jedoch taten sich einige Gegenden besonders hervor. Vor allem in Süddeutschland, Schlesien, Sachsen, Thüringen und Brandenburg kam der Hund oft in die Pfanne. Besonders München galt als eine der Hochburgen der Hundeesser im Deutschen Reich und es war bis über seine Grenzen hinaus bekannt, dass man in der Kurfürstenstadt dem Hund kulinarisch sehr zugetan war. 1892 schrieb die französische "Internationale Fleischerzeitung" , dass "München, die Kunst- und Feststadt, bereits als Hundestadt deklariert" werde. 

Man bettelt, borgt, hungert

und schlachtet fette Hunde, die man sich auf

eine höchst wohlfeile Art zu verschaffen weiß.

A. von Schaden: "München, wie es trinkt und ißt" (1835)

Die Schlachtungen selbst, sowie der Verbrauch an Hundefleisch, unterlagen der wirtschaftlichen Konjunktur. Aufgrund der schlechten Versorgung stieg der Hundefleischverbrauch im Ersten Weltkrieg erheblich, ebenso in der Weltwirtschaftskrise und der Inflationszeit von 1923, wo er seinen Höhepunkt erreichte. Im Jahrgangsband "Bei mir - Berlin!" schreibt der Autor im Jahre 1923: "In der ersten Hälfte des Septembers sind zu den bereits bestehenden 32 Berliner Hundeschlachtereien noch 13 neue hinzugekommen. Auch unter dem alten System (in der Kaiserzeit, Anmerkung d. Autors) wurde Hundefleisch verzehrt, aber nur in einigen wenigen Hausindustriedörfern der ärmsten Gegend Deutschlands, im sächsischen Erzgebirge, und sonst weder in Berlin noch in irgendeiner anderen Großstadt, und heute kaufen dieses Hundefleisch - für den Sonntag - die Angehörigen des gebildeten früheren Mittelstandes."

Adeps Canis- das Hundefett


Während des Zweiten Weltkriegs trieb die Not die Menschen wieder zurück zum Hundemetzger. Doch auch nach dem Krieg bestand in beiden deutschen Staaten Einigkeit, denn in beiden wurden Hunde geschlachtet. Gab es vor dem Krieg noch eine einheitliche Meldepflicht und Statistiken über die durchgeführten Hundeschlachtungen, so zeigte nach dem Krieg niemand mehr großes Interesse daran, die Zahlen zu erfassen, daher gibt es auch nur unvollständige Zahlen über die Anzahl der gekeulten Hunde. Dennoch blieben sich die bisherigen Zentren der Hundeschlachtung treu, sodass es außerhalb der DDR - vor allem in München und Augsburg - wieder eine ähnlich hohe Anzahl an beschauten Schlachtungen gab, wie vor dem Kriege. Auch hier ist davon auszugehen, dass auf eine offizielle Schlachtung drei bis vier Schwarzschlachtungen kamen. Die letzten Schlachtungen fanden in Hamburg 1954 statt, während in München noch bis 1985 Hundeschlachtungen vorgenommen wurden, was sich hier allerdings eher kulinarisch begründen lässt, als aus blanker Not heraus.

 

Durch den steigenden Wohlstand der Bevölkerung wurde Hundefleisch zunehmend uninteressanter und es trat eher der medizinische Aspekt in den Vordergrund. Begehrt war das Hundefett - das Adeps Canis - dem eine große Heilwirkung, insbesondere bei Bronchialerkrankungen, nachgesagt wurde. Wer es nicht von Bekannten, die selbst schlachteten oder auf dem Schwarzmarkt erhielt, der musste im wahrsten Sinne des Wortes Apothekerpreise dafür bezahlen. Hundefett wurde in Bonn bis 1989 unter der Registrier-Nummer 1029849 geführt. Es war sowohl äußerlich als Einreibung als auch innerlich anzuwenden. Die Lizenz für Adeps Canis erlosch 1989 beim Bundesgesundheitsamt.

 

Aufgrund der hohen Nachfrage handelte es sich beim Hundefett um ein sehr lukratives Produkt, an dem sowohl der Apotheker als auch der Besitzer des Schlachthundes einen ansehnlichen Gewinn einfahren konnten. In München zahlten Apotheken um 1956 rund 12,- DM pro Kilogramm Hundefett, um das Hundefett dann für den stolzen Preis von ungefähr 14,50 DM pro 100 ml zu verkaufen. Die Apotheker wurden daher von nicht wenigen Tierfreunden als gewissenlose Geschäftsmacher und Hundemörder bezeichnet. 

Hundefett adeps canis Schlachtung Hund essen Löwenapotheke
Ein Artikel über Hundefett aus "Neue Revue" Ausgabe 46/1986 - oben links zu sehen: ein weißer Spitz 😱

Hundeleder - Eine neue Modetorheit?


"Wie eine illustrierte Zeitschrift mitteilt, soll in Paris Hundeleder für Schuhe, Handschuhe und Handtaschen verarbeitet werden. Eine Gerberei liefert angeblich 15000 Hundefelle im Jahr. Das Leder soll geeignet sein für Leute mit feuchten Händen. Ein Paar Schuhe soll 80 - 110 DM kosten. Der steigende Umsatz belaufe sich zurzeit auf 1000 Paare monatlich. Das beste Fell würden die Schäferhunde geben, Pudelfell wäre dagegen ungeeignet. Dass es zu so etwas kommen kann, liegt an der Tatsache, dass in Frankreich Hunde jetzt nicht mehr begraben werden dürfen. Sie kommen zur Abdeckerei: Das Fleisch wird zu Futter verarbeitet, das Fett zur Seifenherstellung und das Fell zu Luxusleder. 

 

Auch bei uns ist die Situation schwierig, wie wenig Hundefriedhöfe haben wir, wie schwer ist es, einen Platz für ein Grab - etwa im Garten von Freunden - zu finden, dann muss aber immer noch das Grab geschaufelt werden. 

 

Für uns ist es ein grauenhafter Gedanke, dass die sterblichen Reste des besten Freundes des Menschen nach seinem Tode so verarbeitet werden sollten, der Hausgenosse, den wir als Familienmitglied sehen. Darum muss im Zusammenwirken mit den Tierschutzvereinen der Gedanke der Hundefriedhöfe immer mehr gefördert werden. 

 

Wie lange wird es dauern, bis diese "Création" der Modezentrale, bis dieser "dernier cris" - dieser letzte Schrei der Mode - nach Deutschland importiert wird - und bis Geschäftstüchtige hier ihren Profit sehen und selbst diese Hundelederartikel herstellen, sie in den Handel bringen? Der Hundefang würde ein erträgliches Geschäft für Tagediebe. Ethos? Idealismus? Gewiss, sowas gibt es noch, wenn auch selten. Vor allem, wenn man etwas Schickes haben will. So heißt es vorbeugen, aufrütteln und jetzt schon auf das Gemeine hinweisen, was im Tragen eines Handschuhs liegt, der aus der Haut eines Hundes gefertigt ist, den man vielleicht vor kurzem noch gestreichelt hat. Nur durch Aechten des bloßen Gedankens - schon bevor man mit dem Import oder gar der Produktion begonnen hat - kann man helfen. Und die besten Helfer müssen die Frauen sein, die ja die Hunde so sehr lieben - und verwöhnen. Ihnen könnten Hundeledertaschen angeboten werden. Lehnen Sie sie entrüstet ab, melden Sie ein Geschäft, das sie etwa anbieten wird. Jetzt ist es noch Zeit, hier rückhaltlos aufzurufen, denn eine "Geschäftsschädigung" liegt noch nicht vor, da bis jetzt der Artikel noch nicht in Deutschland existiert. Helfen Sie, vor allem unsere Damen, dass er nie bei uns auftaucht!"

 

Quelle: "Der Deutsche Spitz", Nr. 40, Seite 27

Das Schlachtverbot


Nach dem Krieg besserte sich die wirtschaftliche Lage hierzulande wesentlich schneller, als erwartet und die Anzahl an Hundeschlachtungen sank folglich wieder. Dennoch gab es gegen die Schlachtungen an sich wenig Vorbehalte, mal abgesehen von vereinzelten moralischen Bedenken hier und dort. Jedoch stießen sich Tierschutzverbände seit dem Beginn der fünfziger Jahre zunehmend daran und brandmarkten den "Hundemord" in der Öffentlichkeit. Dem schlossen sich nach und nach Presse und Parteien an und es entstand eine breite Allianz für ein Schlachtverbot von Hund und Katze. Nachdem sich 1954 die Bild-Zeitung mit in das Thema eingeschaltet hatte, erhöhte sich auch die Schlagkraft dieser Allianz, dennoch sollten noch drei Jahrzehnte vergehen bis zum endgültigen Verbot der Schlachtungen. 

  

Die Diskussion um das Schlachtverbot führte dazu, dass alle, die Hunde aßen oder ihr Fett pharmazeutisch anwendeten, nun als Barbaren, Kannibalen oder Unmenschen galten. Folglich ergab es sich, dass quasi niemand, der weniger Probleme mit den Schlachtungen hatte, öffentlich dazu stehen konnte. Konrad Adenauer wird dazu wie folgt zitiert: "Die Mehrheit könnte ich nur verlieren, wenn eine Zeitung schriebe, daß ich Hunde schlachte." Durch die mitunter reißerische und unsachliche Berichterstattung war es den Gegnern des Schlachtverbotes absolut unmöglich gemacht worden, sich öffentlich zu positionieren, während die breite Masse entsprechend sensibilisiert wurde. Jetzt musste das Gesetz lediglich noch ausformuliert und verabschiedet werden. Überraschenderweise wurde der erste Verbotsversuch jedoch abgelehnt, und zwar mit der Begründung, dass "in Deutschland für keine Tierart ein allgemeines Schlachtverbot" bestünde. Das Verbot sei sachlich nicht zu begründen und zudem würde das Schlachtverbot den gesetzlich vorgeschriebenen Schutz der Hunde wesentlich erschweren, da man davon ausgehen müsse, dass sich dann seitens der Konsumenten die benötigten Hunde illegal beschafft werden würden. 

 

Grundsätzlich darf nach bürgerlichem Recht jedes Tier aus vernünftigem Grund geschlachtet werden, solange die Schlachtung in Übereinstimmung mit den bestehenden Verordnungen erfolgt (Tierschutzgesetze etc.). Ein Schlachtverbot für Tiere ist nur aus gesundheitlichen und hygienischen Gründen zulässig, das heißt, dass von dem Tier eine konkrete Gefahr für Schlachtpersonal und Konsumenten ausgehen muss, um ein wirksames Verbot aussprechen zu können. Hier sei zum Beispiel der Affe genannt, dessen Schlachtung für den Verzehr verboten ist, da der Kontakt mit Blut und Organen von Affen beim Menschen schwerste Erkrankungen auslösen kann (u.a. die Marburg-Infektion). Hier erfolgte das Importverbot für Affenfleisch 1973 und das Schlachtverbot 1980 nach mehreren tödlich verlaufenden Infektionen. Warum also sprach man sich gegen ein Verbot aus - zumindest vorerst? Die Regierung verteidigte das althergebrachte Prinzip, jedes Tier aus vernünftigen Gründen verwerten zu dürfen. Man vertrat den Standpunkt, ein Schlachtverbot für Hunde würde ein Präzedenzfall für andere Haustiere schaffen, wie Pferde, Karnickel usw.

 

Das 1986 erlassene Schlachtverbot von Hunden und Katzen wurde letztlich zusammengeschustert und zurecht konstruiert: bei der Novellierung des Fleischbeschaugesetzes wurden acht mögliche Erreger seitens des Bundesgesundheitsamtes (BGA) genannt, die bei Infektionen durch Hunde- und Katzenfleisch eine Rolle spielten. Hierbei handelte es sich in keinem Punkt um ein Novum, sondern lediglich um eine Aufzählung von hinlänglich bekannten Fakten, aus denen keine größere Gesundheitsgefährdung hervorging, als durch den Konsum von zum Beispiel Rindfleisch oder Schweinefleisch. Aufgrund der dürftigen Argumente bastelte man seitens des BGA noch die Punkte "Arzneimittelrückstände" (aus Hormonspritzen oder durch Flohhalsbänder) und "Umweltkontaminationen" (Blei aus Dosenfutter) hinzu, um daraus die folgende Formulierung ableiten zu können: "Insgesamt gesehen, scheint die Schlachtung von Hunden und Katzen..... Risiken für die menschliche Gesundheit zu bergen. Hiervon sind sowohl das Schlachtpersonal als auch die Verbraucher betroffen." Auf Grundlage dieser Stellungnahme zog man im Bundesernährungsministerium den Schluss, dass die genannten gesundheitlichen Risiken wegen des engen Kontakts zwischen Menschen und Hunden bzw. Katzen gegeben seien. Somit konnte man das Schlachtverbot hygienisch begründen. Seitdem heißt es im Fleischhygienegesetz vom Februar 1987: "Fleisch von Affen, Hunden und Katzen darf zum Genuss der Menschen nicht mehr gewonnen werden." Somit kehrte Deutschland für Tierschützer, Heimtierbesitzer und Medien ab diesem Zeitpunkt endgültig zurück in den Schoß der Zivilisation - außer auf dem Sektor ihrer Verwendung als Versuchstiere, dem immer noch größten Aderlass der Hundepopulation.

Eine Frage der Sittlichkeit


Die Fragestellung, die damals die Gemüter erhitzte, lautete: "Was ist der Hund?" Ein treuer Begleiter, dem Menschen nahe und nützlich, aber dennoch auch Nahrungsmittel und Heilmittel? Ein Nutztier also, wie eine Kuh, nicht mehr und nicht weniger? Oder ist er ein besonderes Tier, emporgehoben durch seine Nähe zum Menschen, durch Wesen und Eigenschaften zum schutzwürdigen Tier mit Sonderstellung ausgezeichnet? Heute wirkt diese Fragestellung absurd, damals jedoch wurde das Thema voller Ernst diskutiert. Waren nicht auch Pferde nützliche und sehr gelehrige Tiere, deren Fleisch man sich dennoch schmecken ließ? Warum also den Hund ausklammern, solange sich an die bestehenden Tierschutzgesetze bei der Schlachtung gehalten wurde? Die bloße ethische Ablehnung schien vielen Menschen dieser Zeit doch reichlich an den Haaren herbeigezogen. Obwohl die große Masse damals gar keinen Hund mehr essen mochte - haftete dem Fleisch doch der Makel der Armut an - hatte man doch keine Einwände gegen diejenigen, die dem Fleische oder dem Fett zugeneigt waren, man scherte sich schlicht nicht darum. In der Schweiz wird dieses Thema heute noch derart gehandhabt: Man liebt und achtet Hunde, man ist bereit, viel Geld in sie zu investieren, aber was der Bürger letztlich mit seiner "Investition" macht - also ob er sie als Haustier behält, verkauft oder isst - geht den Staat absolut nichts an, zumindest so lange sich alles im Rahmen der tierschutzrechtlichen Vorgaben abspielt. Tja, was ist hier richtig, was ist falsch?

 

Trotzdem das Schlachtverbot lange auf sich warten ließ, kam es schließlich doch und in voller Konsequenz. Das Verbot der Hundeschlachtungen unterstreicht die außergewöhnliche Rolle, die wir Deutschen unseren Hunden beimessen. 

 

Und das verdientermaßen! Die Geschichte des Hundes ist ein Teil der Geschichte der Menschheit. Treu stand der Hund dem Menschen zur Seite und teilte Kampf und Arbeit mit dem zweibeinigen Gefährten, dabei die eigenen Kräfte ihm schenkend. Unter allen Tieren war der Hund dazu ausersehen, einen wesentlichen Anteil an der Urbarmachung ganzer Lebensräume innezuhaben. Ohne Hunde keine Entwicklung des Menschen, ohne Wächter kein Eigentum, ohne Hüter keine Viehwirtschaft usw. Daher steht der Hund mit Recht über allen anderen Haustieren und mit Recht wenden wir uns zutiefst angewidert ab, wenn es um Hundefresserei geht. Bereits die alten Germanen, wie auch die alten Ägypter oder die Assyrer achteten den Hund so hoch, dass sein Verzehr dort absolut tabu war. Und bereits vor Tausenden von Jahren empfand man Völker bzw. Volksstämme, die sich dem Hundeverzehr hingaben, als mehr oder minder im Zustand der Barbarei stehend. Oder um Bernardine de St. Pierre zu folgen, der in seinen "Études de la nature" (1784) konstatierte, "dass das Hundeessen der erste Schritt zum Kannibalismus sei".

 

Dem schließe ich mich absolut an!


[1] www.wochenblatt.de/archiv/als-hierzulande-hund-noch-auf-dem-speisezettel-stand-174321

Rüdiger von Chamier - "Hunde essen, Hunde lieben: Die Tabugeschichte des Hundeverzehrs und das erstaunliche Kapitel deutscher Hundeliebe"


Stand: 09.01.2024

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