Der Mittelspitz


EIN RASSEPORTRAIT


INHALTSVERZEICHNIS

Vorwort

Vorwort

Die Rasse "Deutscher Spitz" ist in ihrem Variantenreichtum einzigartig in der Hundewelt und war sehr lange die am häufigsten in Europa anzutreffende Hunderasse. Es gibt fünf Spitzvarietäten, die sich hauptsächlich in der Größe voneinander unterscheiden: den Wolfsspitz, den Großspitz, den Klein- und Zwergspitz und natürlich den Mittelspitz - die jüngste Varietät. Gemeinsame Kennzeichen der Spitzer sind das schöne, durch reichlich Unterwolle abstehende Haarkleid, der mähnenartige Kragen um den Hals und der fuchsähnliche Kopf. Die flinken, klugen Augen und die spitzen, engstehenden Ohren verleihen der Rasse ihre charakteristische Keckheit. 

 

Auch der Mittelspitz ist - wie alle Deutschen Spitze - schon immer ein unbestechlicher Wächter und kann auf eine lange Tradition nicht nur als Wachhund, sondern auch als Hund des Volkes, zurückblicken. Bereits Alfred Brehm (1829-1884) konstatierte:

 

"Der Spitz bedeutet für Haus und Hof dasselbe, wie der Schäferhund für die Herden.“

 

Mit einer Schulterhöhe zwischen 30 und 40 cm ist der Mittelspitz der Rassevertreter mit der klassischen Spitzgröße. Früher war ein Spitz wie er wohl der Standard für den normalen Spitz, den man als Wachhund überall traf. Er begleitete Fuhrleute, Kleinbauern, Binnenschiffer, Gaukler und Handwerker, war aber selbstverständlich schon immer auch Familienhund. Bis heute hat er durch sein keckes Wesen und durch seinen Witz das Image des Deutschen Spitzes geprägt und war nicht immer, aber meistens, doch überall gern gesehen.


Historisches


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Terrakotta-Spitz aus dem alten Griechenland. [1]

Für eine lange Zeit glaubte man, dass der prähistorische Torfhund der Vorfahre der Mittelspitze sei, was überwiegend an der großen Ähnlichkeit zwischen beiden Rassen liegt. Archäologische Funde belegen, dass der Torfhund den Menschen bereits in der Steinzeit begleitete und als Haustier gehalten wurde. Auf alten Abbildungen von Griechen oder Römern findet man ebenso Hunde, die eine erstaunlich große Ähnlichkeit mit dem heutigen Mittelspitz haben. Dennoch gilt die Theorie vom Torfspitz heute als überholt, da genauere Untersuchungen belegten, dass sich die Skelette und vor allem die Schädel der Spitze doch deutlich vom Torfhund unterscheiden. Sie haben ebenso zwar eine genetische Ähnlichkeit, aber wohl nicht genug, um von einer eindeutigen Abstammung auszugehen.

 

Bis zum 19. Jahrhundert war der Deutsche Spitz die am häufigsten in Deutschland und Mitteleuropa anzutreffende Hunderasse. Er gehörte früher auf jedes Anwesen und bewachte Haus und Hof, Warenlager oder Transportkarren. Seine Aufgabe war es, seine Besitzer durch Bellen zu warnen, wenn Diebe oder Eindringliche sich näherten und diese oft schon durch das Gebelle in die Flucht zu schlagen. Im Gegensatz zur Jetztzeit wurden die Spitze in früheren Zeiten jedoch nicht nach ihrem Erscheinungsbild beurteilt, sondern nach ihren Eigenschaften und ihrer Arbeitskraft. Hunde, die wilderten oder herumstromerten und das ihnen anvertraute Gut schutzlos sich selbst überließen, waren als Wachhund unbrauchbar und wurden ihrem Schicksal überlassen. 

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Ein Mittelspitz mit seiner Familie

Der Mittelspitz war der Hund der kleinen Leute, der Hund des Volkes, der lange ein Schattendasein neben seinen kleinen und großen Vettern führte. Wie die anderen Spitze bewacht er alles zuverlässig, was sein Mensch ihm anvertraut. Als Kutschhund lief er früher neben oder unter der Kutsche mit und bewachte sie, oder er saß oben beim Kutscher mit auf dem Kutschbock. So entstand der Spitzname „Fuhrmannsspitz". Obwohl Mittelspitze - wie alle Deutschen Spitze - kein Interesse an der Jagd haben, sind sie dennoch sehr akribische Beseitiger von Mäusen, Ratten und anderen Räubern. Da der Spitz genügsam war und fraß, was für ihn abfiel, verursachte er keine größeren Kosten, daher konnten sich auch Menschen die Haltung eines Mittelspitzes leisten, die mit wenig Geld auskommen mussten.

 

Sah man früher an jeder Straßenecke einen Spitzer, so ging mit dem Ende der großflächigen bäuerlichen Landwirtschaft und der Pferdefuhrwerke, mit dem Beginn der Industrialisierung und dem Wegzug der Landbevölkerung in die Städte auch das Arbeitsfeld der Spitze verloren. Nach und nach sah man die mittleren und großen Spitze immer seltener, da die Menschen vom Land in die Stadt zogen und in der Stadt ruhigere Hunde bevorzugten.

 

Erst mit dem Zweiten Weltkrieg erlebten die Mittelspitze einen erneuten Aufschwung, denn sie waren genügsam und benötigten nur wenig Pflege und sicherten das wenige Hab und Gut, das die Menschen damals noch besaßen. Nach dem Krieg änderte sich in Deutschland jedoch erneut so einiges: man entdeckte diverse, fremde Hunderassen, die ”chic” und "modern" waren, es entstand der Trend zum jeweiligen ”Modehund”.  Der Spitz war jetzt wirklich und tatsächlich "out".

Mittelspitz: der Rassestandard


Im Hinblick auf das äußere Erscheinungsbild gilt für den Mittelspitz das Gleiche, was man zu allen anderen Deutschen Spitzen sagen kann. Kennzeichnend ist das üppige, zweilagige Stehhaar mit dem mähnenartig verstärkten Kragen, den gut befederten Vorderläufen und den ausgeprägten Hosen an den Hinterbeinen. Lediglich die Vorderseiten der Vorder- und Hinterläufe, die Pfoten und der Kopf mitsamt Ohren sind kurz und wie "samtig" behaart. Charakteristisch ist die hoch angesetzte, buschig, über dem Rücken eingerollt getragene Rute, ebenso wie der fuchsartige Kopf mit den kleinen, flinken, mandelförmigen Augen. Nicht zuletzt erkennt man den Spitz an seinen stets aufrecht getragenen Ohren, die jedes noch so kleine Geräusch bemerken und radargleich verfolgen. Nicht zu vergessen sind auch der kompakte und quadratische Körperbau mit dem kurzen Rücken und die gerade angesetzten Vorder- und Hinterläufe.

 

Der aktuelle Standard der FCI gibt für die Mittelspitze eine Größe von 30-40 cm vor, ihr Gewicht beträgt ca. 7-10 kg. Sie sind zugelassen in den Farben:

  • Schwarz,
  • Braun,
  • Weiß,
  • Orange,
  • Graugewolkt und
  • andersfarbig: Creme, Creme-Sable, Orange-Sable, Black-and-Tan und Schecken. 

Das dichte, doppelte Haarkleid des Mittelspitzes schützt gegen Kälte, Hitze und Verletzungen. Es wird niemals (!) bis auf wenige Millimeter heruntergeschoren, das ist eine Todsünde an der Zierde des Spitzes, seinem Fell. Denn das Schönste an einem schönen Spitz ist sein prachtvolles Haarkleid. Eine Schur schadet der Fellstruktur nicht nur immens, nein, oftmals wächst das Haar danach nicht wieder normal nach. So ein Hund sieht dann sein Leben lang aus, wie ein gerupftes Huhn. Zudem verliert das Fell im schlechtesten Fall seine Isolierfähigkeit und schützt so nicht mehr ausreichend vor Hitze und Kälte. Eine Ausnahme stellt der alte Mittelspitz dar: sofern ihm sein Fell im Sommer zu sehr zu schaffen macht, kann man es durchaus kürzen, aber eben nicht bis auf die Haut abscheren.

 

Werden Spitze kastriert, entartet das Fell ebenfalls oft zu unförmigen Fellmassen, der kaum mehr zu pflegen sind. Deshalb sollte ein Spitz wirklich nur aus Krankheitsgründen kastriert werden, nicht aber, um ihn besser führen zu können. Das ist ein furchtbarer, irreversibler Trugschluss. 

Das Wesen des Mittelspitzes


Der Mittelspitz: ein Wachhund durch und durch
Der Mittelspitz: ein Wachhund durch und durch

Haus, Hof, Fahrrad oder Einkaufstasche: Alles, was Herrchen oder Frauchen gehört, wird vom verlässlichen Mittelspitz bewacht. Wie alle Spitze ist auch der Mittelspitz als unbestechlicher, treuer und wachsamer Hund bekannt, der bellend den Besitz seines Menschen verteidigt, dabei aber nicht jedem Besucher nicht sofort an die Hose geht. 

 

Der Deutsche Spitz war bis zur Mitte des vorherigen Jahrhunderts ein reiner Wachhund, und insbesondere bei den großen Varietäten Wolfsspitz und Großspitz wurde sehr auf die Arbeitseigenschaften geachtet. Der Kleinspitz hingegen war immer eher ein Haushündchen für Liebhaber (Ausnahmen bestätigen die Regel, wie die schwarzen Mannheimer). Da der Mittelspitz nun seinen Ursprung nun aber eben im Kleinspitz hat (siehe unten), ist er zumeist umgänglicher und weniger scharf als seine großen Vettern. Der Mittelspitz ist dafür mitunter hibbeliger, kecker und lebhafter als die großen Spitze - und immer zu einem Späßchen aufgelegt. 😋

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Auch Witwe Boltes Spitz ist ein Mittelspitz

Trotzdem ist der Mittelspitz natürlich ein Wachhund, schließlich wurden alle Spitze über Jahrhunderte und Jahrtausende auf ihren Wächterdienst selektiert. Aufpassen ist seine Passion, er hört alles – auch nachts. Mit einem Mittelspitz im Haus kann man daher unbesorgt schlafen gehen, denn dem entgeht nichts. Obwohl Eindringlinge lautstark gemeldet werden, sollte der Spitz mit der richtigen Erziehung dennoch kein Kläffer werden. Leider hängt ihm dieser Ruf noch heute an. Wer über die Rasse aufklärt und seinen Spitz ordentlich erzieht, dürfte jedoch durchaus einen gern gesehenen Begleiter in ihm haben. Die Bekanntschaft Fremder braucht der Mittelspitz - wie alle Spitze - nicht unbedingt und verhält sich daher beim ersten Kontakt auch schon mal reserviert. 

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Quadratisch, praktisch, gut - der Mittelspitz

Besonders praktisch ist der Mittelspitz auch aufgrund seiner Größe, denn einerseits hat er noch eine Größe, die es ihm ermöglicht, noch als Wachhund wahrgenommen zu werden. Andererseits ist er auch nicht zu groß, so dass man ihn auch mal auf den Arm zu nehmen oder im Fahrradkorb transportieren kann.

 

Der Mittelspitz ist wie alle Spitze ziemlich verfressen, bei mangelnder Bewegung oder übermäßiger Fütterung war's das schnell mit seiner Bikinifigur. Wird er allerdings nicht wie eine Stopfgans gemästet, ist der Mittelspitz ziemlich langlebig und wird gut und gern 15 Jahre alt. Seine Fellpflege ist nicht aufwändig – nicht mal beim weißen Mittelspitz - da das Fell schmutzabweisend ist.

 

Mittelspitze freuen sich natürlich über ein Haus mit Garten, können aber auch problemlos in der Wohnung gehalten werden. Sie lieben lange Spaziergänge oder Wanderungen, kommen aber auch mal mit weniger Bewegung aus. Der Mittelspitz ist ziemlich sportlich, äußerst flink und erstaunlich sprunggewaltig. Durch seinen fehlenden Jagdtrieb sind Ausflüge in der Natur für Hund und Halter Entspannung pur, denn auch wenn Wild kreuzt oder Fährten gut duften, bleibt der Mittelspitz selbst im Freilauf bei seinem Halter. Zum Streunen neigt er nämlich gar nicht.

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Zwei Mädchen mit ihrem Mittelspitz

Der Mittelspitz hat noch eine weitere, tolle Eigenschaft, die man gerade im Umgang mit Kindern nicht hoch genug schätzen kann: er ist nicht nachtragend. Selbst wenn an den Lefzen oder an der Rute gezogen wird, sucht er sein Heil lieber in der Flucht, nur um wenige Minuten später erneut zur Stelle zu sein und im Zweifelsfalle dieselbe Prozedur nochmal über sich ergehen zu lassen. Kindern, Familienmitgliedern und kleineren Tieren gegenüber behält auch der ausgewachsene Spitz durchweg seine unbedingte Harmlosigkeit. Wo Erwachsene seiner Meinung nach durchaus mal einen Rempler vertragen können, geht er mit einer solchen Vorsicht gerade an kleinen Kindern vorbei, dass man meinen könnte, er wollte zur Sicherheit sogar das Schwanzwedeln einstellen. Natürlich gibt es auch Ausnahmen, doch häufig beruhen die auf schlechten Erfahrungen, die der Spitz gemacht hat. Es ist wichtig, dass nicht nur dem Hund die Grenzen des Umgangs aufgezeigt werden, sondern ebenso den Kindern.

 

Der Deutsche Mittelspitz ist ein aufgeweckter und äußerst intelligenter Wachhund, der sehr an seinem Besitzer und seiner Familie hängt. Wie alle Spitze liebt er Kinder über alles und kann auch problemlos mit anderen Haustieren gehalten werden. Er hat viel Witz und Temperament, jagt und streunt nicht und lernt schnell. Obwohl ihm das Klischee des "Omahundes" anhaftet, ist er beileibe alles, aber kein "Omahund". 

Die Erziehung des Mittelspitzes


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Bei spitzgerechter Erziehung ist der Mittelspitz überall gern gesehen

Wer verstanden hat, dass Spitze etwas anders lernen, als die meisten Hunderassen, wird ihnen sehr viel beibringen können. Wer jedoch die gleiche Übung wieder und wieder mit dem Spitz absolvieren möchte, wird sich an ihm die Zähne ausbeißen. Der Mittelspitz liebt Abwechslung, selbst professionelle Hundetrainer übersehen dies häufig und somit bleibt der gewünschte Erfolg aus. Schnell wird der Spitz dann abgestempelt als eine Hunderasse, die für nichts zu gebrauchen ist. Dabei lag es nur an einer falschen Erziehung. Der Schlüssel zum Glück beim Spitz ist der, dass man jede Übung nur wenige Male wiederholt und dann etwas anders macht. Dann versteht er ratzfatz, was man von ihm möchte und lernt gern und mit viel Freude. Auch mit Drill und hartem Ton geht bei ihm nichts, aber mit Konsequenz und Lob.

 

Noch immer hängt dem Mittelspitz der Ruf an, er sei falsch und bissig. Offenbar waren früher viele Spitze wirklich so. Von Natur ist der Spitz jedoch rührend anhänglich, treu, folgsam. Er würde alles für seinen Menschen tun. Harte, lieblose Behandlung, Deprivation (Zwinger, Kette) und schlechte Erziehung haben hier sicher manches verdorben und ruinieren jeden Spitz über kurz oder lang, denn der Spitz braucht unbedingt engen Familienanschluss im Haus. Daher ist die Haltung im Zwinger oder die ausschließliche Gartenhaltung des Mittelspitzes ein absolutes No-Go!

 

Der Mittelspitz ist wirklich intelligent und neigt bei zu lascher Führung zum Austricksen seiner Menschen - das ist die Kehrseite der Medaille "Intelligenz". Er beobachtet seine Menschen sehr genau und versucht, sie auf seine kecke Art auszuspielen und so Regeln auszuhebeln, denn er hat eine hervorragende Beobachtungs- und Kombinationsgabe. So manche strenge Vorschrift ist dem listigen Charme dieses Hundes schon zum Opfer gefallen. Aber gerade das macht den Spitz auch so liebenswert und das Zusammenleben mit ihm nie langweilig.

Der lange Weg bis zur Anerkennung der Varietät "Mittelspitz"


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Mittelspitzrüde "Chery Edelweiß von Haus Gohfeld", WT: 02.01.1974

Als der Verein für Deutsche Spitze 1899 gegründet wurde, gab es lediglich die Größenunterteilung nach kleinem Spitz und großem Spitz. Tatsache ist aber, dass es den Mittelspitz zu allen Zeiten gab, er war da und er wurde im Zuchtbuch als übergroßer Kleinspitz geführt. Als die Einteilung und Zucht nach Größe eingeführt wurde, klaffte allerdings zwischen 28 cm und 40 cm ein schwarzes „Nichts“, denn die Tiere innerhalb dieser Größensparte waren von allen Ausstellungen und Bewertungen ausgeschlossen und konnten daher auch nicht zur Zucht zugelassen werden. So gingen viele gute und kräftige Spitze der Zucht verloren, da sie eben nur als Liebhaberhunde verkauft werden durften.

 

Trotzdem es immer wieder Züchter und Liebhaber gab, die sich für einen eigenen Standard des Mittelspitzes stark machten, schien sich das Gros des Vereins grundsätzlich nicht mit ihm nicht beschäftigen zu wollen. Jahrzehntelang hat die Frage nach dem Mittelspitz auf den Generalversammlungen des Vereins für Deutsche Spitze auf der Tagesordnung gestanden, wurde aber immer wieder abgelehnt. Dieser Größenschlag hatte keine ausreichende Lobby, obwohl bereits 1906 der erste Antrag auf Anerkennung des Mittelspitzes gestellt wurde. Ein paar Jahre später - 1927 - beantragte die Landesgruppe Westfalen auf der Generalversammlung die Anerkennung des Mittelspitzes als Mittelschlag. Im Vorfeld hatte der Verein allerdings auf der Hundeausstellung in Plauen 400,- Reichsmark an 17 Siegerhunde ausbezahlt (damals gab es noch Geldgewinne auf den Ausstellungen); nachvollziehbarerweise wollte daher niemand noch zig weitere Gewinnklassen dazuhaben, da der Verein selbst immer noch stark von den vorangegangenen Inflationswirren gebeutelt war. Damit war der Antrag erledigt, er scheiterte an der leidigen Geldfrage. 

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"Sascha de Kegelviek"

Erst anlässlich der Generalversammlung des Vereins für Deutsche Spitze am 22. Juni 1969 wurde nach langen Jahren endloser Auseinandersetzungen beschlossen, den Mittelspitz in den Standard aufzunehmen - unter anderem bedingt durch die starke Konkurrenz des damaligen Dissidenzvereines, der den Mittelspitz bereits anerkannt hatte. Dies gab dem Verein den nötigen Anlass dazu, sich ebenfalls zu dieser Anerkennung durchzuringen. Dies galt jedoch nur für die BRD, in der DDR gab es niemals einen Standard für den Mittelspitz. Letztmalig wurde ein entsprechender Vorstoß der DDR-Züchter beim Zentralverband des VKSK im Jahre 1980 mit nur einer Stimme Mehrheit abgelehnt.

 

Am 22.06.1969 wurde die Einführung einstimmig beschlossen und der Hauptvorstand beauftragt, die Satzungsänderung und die Übergangs- und Zuchtbedingungen unverzüglich auszuarbeiten. Diese Übergangsbestimmungen wurden dann auf der Sitzung des Hauptvorstandes am 27.07.1969 in Köln beraten und zu Papier gebracht.

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Wilhelm II. von Württemberg mit seinen Spitzern, die heute als Mittelspitze gelten würden

Die Übergangsregelung galt nur für zu große Kleinspitze, jedoch nicht für zu kleine Großspitze oder Wolfsspitze, diese waren vorerst vom Paarungsprozess der Mittelspitze ausgeschlossen. 

 

Die "neuen" Mittelspitze konnten auch rückwirkend umgetragen werden, dazu kam der Wortlaut "Versetzt in die Klasse der Mittelspitze" in die Ahnentafel. Paarungen waren nur unter Mittelspitzen erlaubt, ihre Würfe wurden jedoch wiederum als Kleinspitze in die Ahnentafeln eingetragen, um dann bei Übergröße erneut als Mittelspitz umgetragen zu werden. Dies sollte so sechs Generationen lang fortgesetzt werden. In der Satzungsänderung von 1969 heißt es zudem eindeutig, dass der Mittelspitz dem Kleinspitz verwandt ist. So ist in "Der Deutsche Spitz" Nr. 67 auf Seite 47 zu lesen, dass sich der Mittelspitz nur vom Kleinspitz durch seine größere Rückenhöhe von über 28 cm bis 36 cm unterscheidet

 

Im Gegensatz zum Großspitz, den es 1969 nur in den Farben weiß, schwarz und braun gab, wurden beim Mittelspitz direkt fünf Farbschläge anerkannt:

 

a) schwarze Mittelspitze,

b) weiße Mittelspitze,

c) braune Mittelspitze,

d) orangefarbene Mittelspitze und

e) wolfsfarbene/ graugewolkte Mittelspitze.

 

 Farbkreuzungen waren damals bei den Mittelspitzen allerdings nur zwischen den Farben Schwarz und Braun erlaubt.

Weitere Zuchtgeschichte des Mittelspitzes


Mittelspitz Loriot von Wold
"Loriot von Wold"

Es ist für den unvoreingenommenen Betrachter der Spitzzucht absolut nicht verständlich, warum diese Varietät erst 70 Jahre nach Gründung des Vereins für Deutsche Spitze offiziell in den Standard aufgenommen wurde. Mittelspitze gab es, das lässt sich aus den historischen Unterlagen beweisen, immer. Allerdings wurden sie durchweg als zu große Kleinspitze oder zu kleine Großspitze disqualifiziert und waren somit gänzlich von der Zucht ausgeschlossen. Die Frage nach dem "Warum" lässt sich nicht beantworten, zumal auch in der gesamten Geschichte des Vereins für Deutsche Spitze immer wieder um eine Anerkennung dieses Größenschlages gerungen wurde.

 

Nach der Zulassung der Mittelspitze als eigenständige Spitzvarietät 1969 wurde erstmal kein Wurf eingetragen, die ersten "offiziellen" Mittelspitzwelpen aus dem Zwinger „vom Hohen Bohl“ wurden erst in das Zuchtbuch von 1973 eingetragen. 1975 fielen vier Würfe mit vierzehn Welpen in Schwarz. Im Jahre 1976 wurde die weiße Mittelspitzhündin "Corrie (Overbeck)" aus den Niederlanden importiert. Sie wurde zur Stamm-Mutter des Zwingers "von Wold" und zur Ahnin vieler weißer Mittelspitze. In Corries erstem Wurf fiel der weiße Rüde "Amor von Wold", der aufgrund seiner Größe zum Großspitz umgeschrieben wurde, obwohl sein Vater ein Kleinspitz war. Einige Jahre später kam dann in einem reinen Großspitz-Wurf im Zwinger "vom Berg Sonnenhof" ein Kleinspitz zur Welt. Ahnherr dieses Wurfes war Amor. Da haben sich wohl ein paar alte Gene durchgedrückt. Genetik ist eben doch keine Mathematik! 😋

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Der berühmte Mittelspitz Adriano [3]

Besonders berühmt wurde der Rüde „Loriot von Wold“, der aus der Kleinspitzzucht von Frau Overbeck ("von Wold") stammte und aufgrund seiner Größe zum Mittelspitz umgeschrieben wurde. Er war der hochprämierteste Mittelspitz seiner Zeit und ist noch überall in den Ahnentafeln zu finden.

 

Nur einer war fast noch berühmter als Amor: Adriano, der in einer abenteuerlich anmutenden Geschichte aus dem Jahre 1994 als Mittelspitz in das Register des Vereins für Deutsche Spitze eingetragen wurde. Adriano wurde von Frau Heilmann in einem Obdachlosenasyl entdeckt, als er gerade mit Kindern spielte. Frau Heilmann erkannte sofort den züchterischen Wert des wunderschönen Mittelspitzes und verhandelte so lange mit dem Besitzer, bis dieser ihrem Kaufangebot nicht mehr widerstehen konnte. So wechselte Adriano für DM 300,- den Besitzer und wurde daraufhin im Verein für Deutsche Spitze als "Adriano (Heilmann)" mit der Nummer 00840 ins Register eingetragen. In das Register des Zuchtbuches werden Hunde eingetragen, deren Abstammung nicht durch FCI/VDH anerkannte Papiere eindeutig nachweisbar ist, deren Wert für die Zucht jedoch von einem Spezialzuchtrichter des Vereins bestätigt werden kann. Adriano trat anschließend seinen "Siegeszug um die Welt" an und wurde von einem Niemand zu einem der erfolgreichsten Spitze seiner Zeit. Trotz seiner vielen Titel und Siege hat Adriano nur verhältnismäßig wenig gedeckt und wurde schließlich ab 1996 vom neuen Hauptzuchtwart sukzessive aus der Zucht gedrängt, da dieser nur sehr wenig auf Registerhunde gab. Leider verstarb Adriano bereits im Alter von neun Jahren. 

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"Amor vom Berliner Hof": vom Typus her eher ein großer Kleinspitz

In den ersten zwölf Jahren der "legalisierten" Zucht der Mittelspitze wurden nur wenig mehr als 100 Welpen in die Zuchtbücher eingetragen wurden. Erst ab 1982 kann man von einer gezielten Zucht von Mittelspitzen sprechen, und ab diesem Jahr ging auch das Welpenaufkommen eindeutig nach oben. Der Grund dafür war sicherlich darin zu suchen, dass sich inzwischen genug "stabile" Mittelspitzzwinger etabliert hatten. Seitdem steigen die Wurfzahlen zwar langsam, dafür aber kontinuierlich an.

 

Die Zuchtzahlen haben sich in den einzelnen Ländern recht unterschiedlich entwickelt. Während in Ländern, wie Finnland und Großbritannien recht hohe Welpenzahlen zu vermelden sind - mitunter werden dort mehr Spitzwelpen geboren als im Mutterland des Spitzes - steht in Deutschland der Mittelspitz weiterhin auf der Roten Liste der vom Aussterben bedrohten Haustierrassen. Insbesondere die schwarzen und braunen Mittelspitze sind stark gefährdet, da nach wie vor nur wenige Würfe dieser beiden Farbschläge fallen.

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Mittelspitz oder Großspitz? "Frida am Jungfernbach" entspricht total dem Großspitztypen [4]

Das Problem der Mittelspitzzucht ist nach wie vor die zu kleine Zuchtbasis. Zudem kommt man noch immer nicht ohne Hilfe aus der Kleinspitzzucht aus. Das wiederum birgt naturgemäß immer wieder die Gefahr für Rückschläge, wenn aus solchen Verpaarungen zwar Mittelspitzwelpen fallen, die aber dann, einmal ausgewachsen, sehr oft wie zu groß geratene Kleinspitze aussehen. Solche Mittelspitze mögen zwar die für den Mittelspitz geforderte Schulterhöhe aufweisen, sind aber oftmals mangelhaft, was ihre Substanz anbelangt. Es gibt aber auch Mittelspitze, die, abgesehen von ihrer Größe, kaum vom Großspitz zu unterscheiden sind. Das liegt zum einen daran, dass immer wieder zum Mittelspitz umgeschriebene Großspitze in die Mittelspitzzucht eingeflossen sind. Zum anderen sah der ursprüngliche Standard vor, dass alle (!) Spitzvarietäten einander entsprechen sollen und sich nur durch ihre Schulterhöhe voneinander unterscheiden. So sieht ein in diesem Sinne gezüchteter, ordentlicher Kleinspitz eben aus wie ein kleiner Großspitz; und selbiges gilt für die Mittelspitze. 

 

Seit 2014 ist es im Verein für Deutsche Spitze erlaubt, Mittelspitze und Großspitze im Rahmen eines Zuchtprogramms miteinander zu verpaaren. Die Verpaarung selbst ist allerdings genehmigungspflichtig. Um mit einem Großspitz verpaart werden zu dürfen, müssen für den Mittelspitz die für die Großspitze vorgeschriebenen Untersuchungen vornehmen werden, wie beispielsweise das HD-Röntgen. Einige Besitzer Mittelspitzen erlebten jedoch ihr blaues Wunder, als sie die Auswertung des Hüftröntgens ihres Lieblings in Händen hielten, denn es stellte sich heraus, dass die Hunde überraschend schlechte Hüften hatten. Weil nun aber ein Mittelspitz mit einer Hüfte, die für die Großspitzzucht zu schlecht ist, eben auch aus der Mittelspitzzucht fliegt, ist die Resonanz hinsichtlich des Großspitz-Mittelspitz-Zuchtprogramms aus dem Mittelspitzlager eher bescheiden.

Der Mittelspitz: ein Freund für alle Fälle


Der Spitz - hier ein strammer Mittelspitz - als bronzener Beschützer seiner Familie [2]
Der Spitz - hier ein strammer Mittelspitz - als bronzener Beschützer seiner Familie [2]

Es ist nicht übertrieben, den Mittelspitz als das "Schweizer Taschenmesser" unter den Hunden zu bezeichnen, denn es gibt eigentlich nichts, was er nicht kann oder wofür er sich nicht eignet. Er ist sportlich, agil, liebt Bewegung und ist wirklich für jeden Quatsch zu haben. Daher eignet er sich für viele Aktivitäten, vom Fahrrad fahren, über Agility und Wandern, bis hin zum Trickdogging. Das Wetter macht ihm dabei meist keine Probleme. Egal ob Regen, Sonnenschein oder Schnee, draußen sein findet der Mittelspitz spitze. Er macht lange Wanderungen genauso gut mit, wie er damit klarkommt, dass vielleicht aufgrund von Krankheit ein paar Tage lang nur kleine Runden gedreht werden können. Er liebt seine Familie, er liebt Kinder und ist am liebsten überall mit dabei.

 

Größe und Gewicht des Mittelspitzes entsprechen genau einem Mittelding zwischen dem großen Wolfsspitz und dem winzigen Zwergspitz, so dass der Mittelspitz zwar noch ein ganzer Hund ist, dennoch ist er aber kompakt genug, um noch gut handhabbar zu sein. Er kann sowohl im Haus, als auch in der Stadtwohnung gehalten werden, und konterkariert bei richtiger Erziehung auch das Klischee vom Kläffer mit Bravour.. 

 

Der Mittelspitz ist ganz Wachhund und ganz Familienhund und würde sein Leben geben, um seine Menschen zu beschützen. Er ist ein zu Unrecht stark unterschätzter und leider vergessener Hund. Wer also die eierlegende Wollmilchsau unter den Hunden sucht, der ist beim Mittelspitz genau richtig. 🙂


[1] https://media.britishmuseum.org/media/Repository/Documents/2014_10/2_19/9ef904f9_d13a_4112_aed0_a3b80145e3aa/mid_00327765_001.jpg

[2] Rathausgruppe Frechen: Material Bronze; Künstler: O. Höhnen. Quelle: www.skulpturen.kulturraum.nrw/rhein-erft-kreis/olaf-hoehnen/rathausgruppe.html

[3] Hartwig Drossard: "Spitze sind spitze", Seite 45

[4] Mit freundlicher Genehmigung von Frau Hildegard Stamann

Stand: 07.09.2023

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