Luchs der Wolfsspitz

Immer wenn ich von den vielen einsamen alten Menschen höre, fallen mir auch der Wolfsspitz Luchs und sein 80jähriges Herrchen ein. Ich lernte beide kennen, als ich noch täglich mit dem Omnibus von Solingen nach Düsseldorf fuhr. 

 

Der Rentner Erich Hirt, das 80jährige Herrchen von Luchs, war trotz seines hohen Alters noch in Düsseldorf berufstätig. Und deshalb begleitete ihn der Hund jeden Morgen zum Omnibus. In einem Gespräch mit dem alten Herrn erfuhr ich später, wie ihm Luchs sogar das Leben gerettet hatte: Eines Tages kam Herr Hirt früher als gewohnt nach Hause. Bevor er sich, weil er sich krank fühlte, zu Bett legte, versorgte Herr Hirt noch seinen Ofen. Plötzlich aber fiel der Rentner  ohnmächtig um und die glühenden Kohlen verteilten sich über den ganzen Raum. Dicker Qualm erfüllte bald das Zimmer. Aber Luchs war helle, er machte die Nachbarn durch lautes Bellen und Umherspringen auf die gefährliche Situation aufmerksam, in der sich sein Herrchen befand! 

 

Es dauerte nicht lange, da kamen die Nachbarn zu Hilfe und der Bewusstlose wurde ins Krankenhaus gebracht. Es war jedoch sehr schwer, Luchs von seinem Herrchen zu trennen, das Tier wollte nicht, dass sich Fremde dem Rentner näherten. Und während der nächsten Tage, in denen Herr Hirt im Krankenhaus war, rührte Luchs keine Nahrung an. Wie groß war dann seine Freude, als sein Herrchen endlich wieder nach Hause kam. Eine solche Freude ist kaum zu beschreiben. Wie wild sprang der Hund an seinem Herrchen empor und drückte den alten Mann an eine nahe Mauer. 

 

Ich könnte noch viel mehr von dem treuen Luchs erzählen. So hat er zum Beispiel auch tapfer die kleine Laube, in der er mit seinem Herrchen wohnte, nachts vor Einbrechern geschützt. Was wäre wohl in jener Nacht aus dem alten Herrn Hirt geworden, wenn er nicht den mutigen Luchs an seiner Seite gehabt hätte! Es ist aber wohl nicht so sehr der Schutz, als vielmehr die Freundschaft des Tieres gewesen, die dem 80jährigen Rentner so viel bedeutet hat. Man hört ja immer wieder von alten Menschen, die irgendwo einsam ihr Leben fristen - sogar in den großen Städten. Da hatte es Herr Hirt doch viel leichter, er konnte sich nämlich immer auf seinen Kameraden, den Wolfsspitz, verlassen. Vielen alten Leuten wäre eine solche Freundschaft auch zu wünschen.

 

Aus "Neue Welt am Sonnabend", 1963

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